Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
inzwischen nicht mehr fallen lässt.«
Bald danach entschied sich Maerad unter Berücksichtigung von Darsors bereitwillig erteiltem Rat für ein neues Pferd. Indik hatte drei aus derselben widerstandsfähigen Zucht wie Imi, zwei Stuten und einen Hengst. Für Darsor kam der edel wirkende braune Hengst nicht infrage, wenngleich Maerad die Augen recht bedauernd von ihm löste. Außerdem standen noch eine schwarze Stute und eine stichelhaarige Füchsin mit einer breiten Blesse auf der Nase zur Auswahl. Unter Indiks trügerisch teilnahmslosem Blick begutachtete Maerad beide sorgfältig, ehe sie sich für das stichelhaarige Tier entschied. Durch Indiks kaum wahrnehmbares anerkennendes Nicken wusste sie, dass sie eine gute Wahl getroffen hatte.
»Das ist Keru«, erklärte Indik und tätschelte den Hals der Stute. »Sie wird dich weit tragen. Keru ist ein wenig launischer als Imi, aber genauso zäh.« Die Stute streckte die Nase vor und beschnupperte Maerads Hand.
Wirst du mich tragen ?, fragte Maerad in der Hohen Sprache.
Du riechst gut, erwiderte Keru. Und du bist sehr klein. Bist du eine Freundin von Darsor?
Ja, antwortete Maerad. Aber wir werden beschwerlich, weit und schnell reisen. Gut. Hier ist mir ohnehin langweilig. Ich werde dich tragen. Damit Wandte die Stute sich ab, um Stroh aus einem Futtertrog zu rupfen, und Maerad vermisste Imi erneut. Sie erkannte sofort, dass Keru ein gutes, kräftiges Pferd war, doch die Vertrautheit, die zwischen Imi und ihr bestanden hatte, würde schwer zu ersetzen sein.
Na ja, dachte sie. Ich vermute, man schließt Freundschaften nicht immer von einem Augenblick auf den nächsten.
Indik gab ihr ein Schwert, das er selbst geschmiedet hatte. »Es war eigentlich für eine junge Frau in Tinagel bestimmt«, erklärte er. »Wird sie eben ein paar Tage länger warten müssen; sie braucht es nicht so dringend wie du. Es ist sehr gut gefertigt: Ich habe bei jedem Härten Banne eingelegt. Achte darauf, dass du mit diesem hier sorgsamer umgehst.« Er zog es aus seiner leichten Lederscheide und reichte es Maerad mit dem Heft voraus. Sie überprüfte die Ausgewogenheit und empfand die Waffe als leicht und angenehm in der Hand.
»Danke, Indik. Ich werde gut darauf aufpassen, das verspreche ich.« »Wir wirst du es nennen?«, fragte Cadvan.
Maerad betrachtete die Waffe. Sie war wunderschön, besaß eine gerade, kurze Klinge aus blauem Stahl und einen Silbergriff in Form eines Blattes, kunstfertig grün glasiert. »Eled, denke ich«, antwortete sie nach einer Weile. »Lilie. Es ist eine Lilie, wie ich.«
»Eled ist ein guter Name. Ich glaube, es war doch für dich bestimmt, obwohl ich das noch nicht wusste, als ich es geschmiedet habe.« Maerad schaute auf und begegnete Indiks Blick, in dem sie eine verborgene Sanftmütigkeit erkannte, die wie eine stille Flamme in ihm brannte. »Möge es dir Glück bescheren.« Maerad spürte die Segnung in seinen Worten. Manchmal sagte Indik Dinge, die durch ihr gesamtes Wesen widerhallten. Sofern er kein Wahrheitsfinder wie Cadvan war, so doch zumindest fast. Wieder wurde ihr klar, wie sehr sie diesen hässlichen, raubeinigen, ehrlichen Mann mochte.
»Ich hoffe es«, erwiderte sie inbrünstig. »Um unser aller willen.«
Nachdem sie Indik verlassen hatten, machte Cadvan sich allein zu einigen eigenen Erledigungen auf. Maerad kehrte zurück zur mitte der Schule und lenkte die Schritte zur Bibliothek. Sie wollte Dernhils Räumlichkeiten besuchen. Dernhil von Gant war ein Barde - und Cadvan zufolge ein großer Dichter - gewesen, der ihr Lesen und Schreiben beigebracht und ihr so zu ihrer erstaunten Freude die Welt der Bücher eröffnet hatte. Sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben war Maerad noch sehr langsam -im vergangenen Jahr hatte sie wenig Zeit zum Üben gehabt -, und in ihr brannte das Verlangen, mehr zu lernen. Dernhils Versprechen jedoch, sie alle Überlieferungen Annars und der Sieben Königreiche zu lehren, würde nun nie eingehalten werden. Er war vergangenen Frühling gestorben, als Untote auf der Suche nach Maerad insgeheim in Inneil eingedrungen waren. Der kleine, mit Zierbildern versehene Gedichtband, den Dernhil ihr geschenkt hatte, stellte eines ihrer kostbarsten Besitztümer dar; sie verwahrte ihn in Oltuch eingewickelt in ihrem Bündel.
Mühelos erinnerte sie sich an den Weg durch das Labyrinth der Gänge, nickte im Vorbeigehen Barden zu und blieb vor der vertrauten Tür stehen. Plötzlich fühlte sie sich ein wenig töricht. Was,
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