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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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wenn sich jemand dort drin befände? Sie hatte niemanden um die Erlaubnis gefragt, den Raum aufsuchen zu dürfen, und Dernhil konnte er nicht mehr gehören. Zögerlich klopfte sie, und als niemand antwortete, schob sie die Tür langsam auf.
    Maerad hatte erwartet, den Raum verändert vorzufinden, gefüllt mit den Besitztümern eines anderen Barden. Der Raum wirkte tatsächlich verändert, allerdings nicht aus diesem Grund. Was einst eine vergnügte Kammer voller Durcheinander, Arbeit und warmem Licht gewesen war, erschien nur noch leer, verlassen und kalt. Die Luft roch muffig und schal, als wären Fenster und Tür schon lange nicht mehr geöffnet worden. Dernhils Möbel -ein riesiger Schreibtisch und zwei mit himmelblauer Seide bezogene Stühle - waren noch da, die Bücher, die einst die Regale gefüllt hatten, hingegen verschwunden. Zurückgeblieben war nur ein Gewirr verstaubter Restbestände. Eine frostige Wintersonne leuchtete durch die Fensterlaibung herein und warf ein silbriges Licht auf den ebenfalls staubigen Schreibtisch und die Stühle. Es war unübersehbar, dass der Raum derzeit von niemandem verwendet wurde.
    Maerad trat ein und schloss die Tür hinter sich. Ein plötzliches und überwältigendes Gefühl der Trauer überkam sie. Es war, als hätte sie bis zu diesem Augenblick nicht wirklich geglaubt, dass Dernhil tot war. Ein verborgener Teil ihrer selbst hatte immer noch gedacht, dass er in Wahrheit hier auf sie warten, in diesem Raum sitzen und aufschauen würde, wenn sie klopfte, um sie mit jenem bereitwilligen, schiefen Lächeln zu begrüßen und Platz für sie auf dem Stuhl neben dem seinen zu schaffen.
    Er ist in dieser Kammer gestorben, dachte Maerad. Wahrscheinlich hatte sie deshalb noch niemand übernommen. Ziellos wanderte sie durch den Raum, betrachtete die Regale und fand, vergessen an der Wand liegend, eine gebrochene Feder. Sie erinnerte sich daran, dass Dernhil sie öfter verwendet hatte. Maerad hob sie auf und schloss die Faust darum. Sie würde sie als Andenken zusammen mit Dernhils Buch und der wunderschönen anderen Feder verwahren, die er ihr überlassen hatte. Dann ging sie zum Schreibtisch und setzte sich. Die Tischfläche, die sie so im Gedächtnis hatte, dass sie unter einem Berg von Büchern, Schreibzeug, Pergamenten und Schriftrollen kaum zu sehen gewesen war, lag nun völlig kahl da und von einer dünnen Staubschicht begraben. Ungebeten tauchte in ihrem Geist das Klagelied auf, das Cadvan für Dernhil gesungen hatte, nachdem sie die Nachricht von seinem Tod erhalten hatten:
    Wohin ist er verschwunden ? Seine Kammer steht leer, und es glitzern die Tränen in Orons hohen Hallen, wo leichtfüßig er schritt, tiefe Geheimnisse singend, aus des Herzens Gewölben hinaus in die Welt.
    Ich habe ihn nicht lange genug gekannt, um solche Traurigkeit zu empfinden, dachte Maerad. Doch noch während ihr die Worte durch den Kopf gingen, wusste sie, dass sie Unfug waren, eine Verleugnung eines tiefer sitzenden Wissens. Ich weiß, dass er dich geliebt hat, hatte Cadvan vor scheinbar langer Zeit, in einem anderen Leben zu ihr gesagt. Er war einer derjenigen, die deutlich in die Seele eines anderen Menschen sehen können, und seine Gefühle waren rein. Solche Dinge haben wenig damit zu tun, wie lange oder kurz man sich kennt.
    Trotzdem war es allzu kurz gewesen. Als wir uns voneinander verabschiedeten, war da das Versprechen so vieler Dinge - das Versprechen einer tiefen Freundschaft, das Versprechen von Bildung. Nun ist dieses Versprechen in der Vergangenheit erstarrt wie jene seltsamen Tiere, die ich tief in einem Gletscher sah … Ist es das, worum ich wirklich trauere? All die Gespräche, die wir nie geführt haben, die Bücher, die du mir nun nie vorlesen wirst, die Liebenden, die wir nie sein werden. Würdest du mich jetzt küssen, würde ich dich diesmal schlagen?
    Vor ihrem geistigen Auge sah Maerad Dernhil so lebendig, als stünde er vor ihr. Er war groß und schlank. Das braune Haar fiel ihm zwanglos über die Stirn. Seine Züge wirkten klug, lebhaft, belustigt. Er war, wie sie erkannte, sehr gut aussehend. Als sie einander damals begegnet waren, hatte sie es nicht richtig bemerkt. Nein, dachte sie, jetzt würde ich ihn nicht schlagen.
    Was würdest du zu mir sagen, wenn wir einander jetzt begegneten? Würdest du, so wie Indik, fragen: »Was ist aus der scheuen, bezaubernden Bardin geworden, die ich letzten Frühling kennen gelernt habe?« Würdest du mich immer noch küssen wollen?

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