Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
er. »Die Reiter sind an den Toren. Und wir haben bereits zwei Angriffe an den östlichen Mauern zurückgeschlagen.«
Maerad beobachtete, wie Camphis erbleichte, wenngleich sein Mund eine verkniffene, entschlossene Linie bildete. Ihr wurde klar, dass er sich wesentlich mehr fürchtete als sie. Und das Licht weiß, dachte sie, ich fürchte mich schon genug…
»Maerad«, sagte Indik. »Kannst du uns sagen, ob der Landrost in der Nähe ist oder nicht? Bisher haben wir es mit Gebirgsmenschen und einigen Werwesen zu tun, aber es ist schwierig, genau abzuschätzen, was uns angreift.«
»Ich glaube nicht, dass er am Tor ist«, antwortete Maerad und schleppte sich aus dem Schatten, der ihren Geist überlagerte, widerwillig ins Bewusstsein zurück. »Er kommt mir ein wenig weiter weg vor. Obwohl ich mich natürlich irren könnte …«
Cadvan sah Indik mit ernster Miene an. »Was hast du für uns zu tun?«, fragte er. »Vorläufig möchte ich, dass Maerad in Gedankenverbindung mit mir bleibt.« Indik blickte sie an. »Gib mir Bescheid, sobald du eine Veränderung spürst, eine… Anspannung, als bereite er sich zum Sprung vor. Du weißt schon, was ich meine. Cadvan, Camphis, ich könnte Hilfe gegen die Werwesen gebrauchen. Malgorn, können wir sonst noch Barden erübrigen?«
»Nein«, antwortete Malgorn. Er verstummte und lauschte einige Augenblicke aufmerksam. »Silvia ersucht mich auch gerade um weitere Leute. Ich habe alle Barden so gleichmäßig wie möglich entlang der Mauern verteilt. Es gibt keinerlei Anzeichen auf Werwesen innerhalb von Inneil. Entweder sind sie geflüchtet, als der Zauber in Kraft trat, oder sie wurden getötet. Alle verfügbaren Barden sind auf den Mauern. Wir sind spärlich besetzt.«
»Wir werden mit dem auskommen müssen, was wir haben«, gab Indik mit ausdrucksloser Miene zurück. »Ich wünschte, ich könnte deutlich sehen, was da draußen ist. Jedenfalls deuten sämtliche Berichte darauf hin, dass sich in der Dunkelheit eine große Streitkraft sammelt. Und Inneil ist keine Festung. Ich bin froh über die Schutzbanne; was uns an Stein mangelt, werden wir mit Magie ausgleichen müssen.«
»Brauchst du mich?«, erkundigte sich Malgorn.
»Mir wäre lieber, wenn du dich aus den Kampfhandlungen heraushältst«, erwiderte Indik. »Inmitten eines Gefechts ist es schwierig, mit vielen Menschen in gedanklicher Berührung zu leiben, und wir brauchen zumindest einen Barden, der die Verbindung zu allen aufrechterhält. Falls ich dich brauche, rufe ich ich.« Damit nickte er den anderen Barden zu und marschierte hinaus.
Maerad warf einen raschen Blick zu Cadvan. »Ich möchte mit ‘ir kommen«, sagte sie.
»Warum nicht?«, meinte Cadvan. »Auf der Außenmauer kannst du den Landrost genauso gut im Auge behalten wie hier.«
Maerad zögerte, dann zog sie sich den Schwarzstein über den kopf und hielt ihn Cadvan hin. Fragend sah er sie an. »Ich glaube nicht, dass ich ihn verwenden werde«, erklärte sie. »Ich weiß, dass er nicht von der Finsternis stammt, trotzdem hat er etwas an sich… Wie auch immer, dir könnte er dennoch nützlich sein.« Cadvan streckte den Arm aus und ergriff ihn, hielt ihn in der Hand und wog ihn. »Ich weiß, diese Steine haben eine merkwürdige Wirkung«, sagte er. »Es ist, als betäubten sie die Magie, die in einem steckt. Aber er könnte sich nichtsdestotrotz als praktisch erweisen. Bist du sicher, dass ich ihn nehmen soll?«
Maerad nickte. Cadvan strich über die seltsame Oberfläche, die alles Licht aufzusaugen schien, als wäre sie ein Loch statt eines festen Steins, dann hängte er ihn sich um den Hals.
Sie verließen das Wachhaus und erklommen eine Treppenflucht zu einer breiten Zone hinter der mit Zinnen bewehrten Mauer. Hier befanden sie sich unmittelbar über dem Tor, und es herrschte reges Treiben: Bogenschützen hatten Aufstellung um die Zinnen bezogen, und Gruppen entschlossen dreinblickender Soldaten standen bereit, um etwaige Angreifer abzuwehren, die Leitern aufstellten. Sie strahlten dieselbe ruhige Disziplin aus, die Indik besaß, und obwohl Bereitschaft unter ihnen spürbar war, ein merkliches Gefühl, dass der Angriff jeden Augenblick erfolgen konnte, wirkten sie entspannt. Einige spielten Würfel, andere scherzten mit den Jungen und Mädchen, die hier waren, um auf die Köpfe von Feinden, die das Tor selbst bedrohten, Kessel mit kochendem Pech zu kippen oder Steine hinabzuwerfen.
Maerad erschreckte es, so junge Kinder auf den Zinnen zu sehen;
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