Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
recht in der Annahme, dass ich Maerad von Pellinor vor mir habe?« Maerad nickte. »Ich bin Isam von Inneil. Natürlich hatte ich Gerüchte gehört, aber ich hatte keine Ahnung …« Er schüttelte den Kopf. »Der Landrost greift uns also persönlich an, wie? Nun, zumindest haben wir ihm Knüppel zwischen die Beine geworfen.«
»Einen Knüppel«, meinte Cadvan. »Und leider hat er noch viele Beine … Maerad, kannst du abschätzen, wie weit er sich von unseren Mauern entfernt befindet?« Maerad überlegte. Sie konnte die Verwirrung und den Zorn des Landrosts spüren, doch er war schwierig auszumachen. »Nicht richtig«, erwiderte sie schließlich. »Er ist nicht ganz hier, aber sehr nah.«
Die Erleichterung darüber, nicht mehr vom Wind durchgeschüttelt zu werden, war unbeschreiblich, auch die betäubende bittere Kälte war verschwunden. Maerad blickte zum Himmel empor und blinzelte angesichts des fahlen, winterlichen Tageslichts, das nun durch Lücken in den Wolken strömte. Die Barden hatten es vollbracht, Inneil ins Auge des Sturms zu bringen. Innerhalb der Mauern herrschten gespenstische Stille und ein seltsamer Druck, der sich auf Maerads Ohren legte. Draußen tobte der Sturm nach wie vor.
»Ich vermute, der Landrost wird das Unwetter abflauen lassen, sobald er begreift, dass es ihm zum Nachteil gereicht«, sagte Cadvan.
»Sofern er das kann«, schränkte Maerad ein. »Womöglich ist er nicht mehr in der Lage, es zu befehligen.«
Überrascht sah Cadvan sie an. »Meinst du?« Maerad zuckte mit den Schultern. »Nun, wenn dem so wäre, würde es uns unermesslich helfen. Jedenfalls«, fuhr er fort und ließ den Blick über die erschöpften Barden wandern, »sollten wir Malgorn und Indik aufsuchen, um uns zu erkundigen, wie wir uns am besten nützlich machen können.«
Isam seufzte schwer. »Im Augenblick ist die Vorstellung, etwas anderes zu tun, als unzählige Stunden zu schlafen, schier unerträglich«, gestand er. »Und ich weiß, dass dies erst der Anfang war.« Müde streckte er die Arme. »Aber du hast recht.« Sie bahnten sich einen Weg vorbei an Barden und Kämpfern, die emsig dabei waren, sich und ihre Ausrüstung abzutrocknen, und sich verwundert umsahen. Malgorn befand sich im Wachhaus über dem Tor. Er zeigte sich unverhohlen entzückt über den Erfolg des Zaubers, und als Isam ihm von Maerads Anteil daran berichtete, umarmte er sie mit neuer Herzlichkeit. Dann hielt er sie an den Schultern vor sich und musterte ihr Antlitz.
»Maerad, du bist weiß wie Schnee«, stellte er fest. »Geht es dir gut?« Maerad nickte. »Ich bin nur - müde. Das ist alles.«
Malgorn wirkte zweifelnd. »Ich habe schon Menschen dieser Gesichtsfarbe gesehen, die tot waren«, sagte er. »Du hast zu viel getan. Vielleicht solltest du dich ausruhen.«
Maerad schaute auf und blickte ihm in die Augen. »Das solltest du auch. Genau wie all die anderen Barden, die am Wetterwirken beteiligt waren. Aber Indik hatte recht: Ich konnte gegen den Landrost helfen. Es hat gegen den Sturm gewirkt. Selbstverständlich bleibe ich hier.«
»Vielleicht wäre etwas Medhyl nicht verkehrt«, schlug Isam vor und holte eine kleine Stöpselflasche aus einem Beutel hervor. »Er ist dazu da, Erschöpfung zu bannen, vor allem, wenn sie von Magie herrührt.« Dankbar trank Maerad davon, und sofort linderte er die ärgste Müdigkeit. Sie hatte zwar immer noch das Gefühl, stundenlang schlafen zu müssen, fühlte sich aber nicht mehr so benommen.
Malgorn beobachtete sie eindringlich, bis etwas Farbe in ihre Züge zurückkehrte. »Schon besser«, meinte er trocken. »Maerad, wenn du unsere bedeutendste Waffe gegen den Landrost sein sollst, wäre mir lieb, wenn du dich nicht umbringst. Aber ich danke dir. Ich denke, jetzt haben wir eine Chance. Allerdings können wir unsere Feinde nicht sehen, was ein Problem darstellt. Der Sturm verhüllt sie. Andererseits werden jene, die keine Hexerei schützt, schwerlich in der Lage sein, ein Schwert zu ziehen oder einen Bogen anzusetzen, wenn ihnen der Wind so heftig um die Ohren heult. Da draußen kann man kaum eine Handbreit weit sehen.«
»Maerad glaubt, dass der Landrost ganz in der Nähe ist«, ergriff Cadvan das Wort. »Falls er vorhat, das Tor anzugreifen, wird es nicht mehr lange dauern.« Malgorn machte ein entschlossenes Gesicht und starrte auf die Außenmauer, als könnte sein Blick die Dunkelheit dahinter durchdringen. »Soll er ruhig kommen«, knurrte der Oberste Barde. »Er wird unser Heim nicht
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