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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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vielleicht hat sie deshalb ihr Leben weggeworfen…
    An Zelika zu denken öffnete in Hem eine so tiefe Wunde, dass er es kaum begreifen konnte. Er sah ihr zartes Gesicht und ihr wildes Haar so deutlich vor sich, als stünde sie vor ihm. Hem konnte immer noch nicht ganz glauben, dass sie tot war und er sie nie wieder sehen würde. Manchmal ertappte er sich dabei, dass er sich umschaute, in der Erwartung, sie mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen an seiner Schulter zu erblicken, und musste sich dann mit einem schmerzlichen Stich der Wirklichkeit besinnen.
    Bis er sie verloren hatte, war ihm gar nicht bewusst gewesen, wie tief Zelika sich in sein Herz eingenistet hatte. Das Wissen um ihren Tod war noch zu frisch; an seinem Körper prangten nach wie vor die verblassenden blauen Flecken seines hoffnungslosen, tolldreisten Unterfangens, sie zu retten, zu dem der schreckliche Marsch durch Den Raven in die dunkle Stadt Dagra gehört hatte, wo er Zeuge von Dingen geworden war, die ihn mehr ängstigten als seine schlimmsten Albträume. Er hatte noch kaum Zeit gehabt, um zu verarbeiten, was ihm in den vergangenen Monaten widerfahren war, dennoch wusste er, dass sein Versagen, Zelika zu retten, ihn mehr als alles andere schmerzte, das er durchgemacht hatte. Hem lag auf dem Rücken und schaute zu dem klaren Winterhimmel empor, wo die Sterne in der Dunkelheit kalt und weiß funkelten; es dauerte lange, bis er einschlief. Der zermürbende Schmerz in seiner Brust hielt während seiner Träume in der Nacht an, was ihn tagsüber trübselig und reizbar machte. Daher, so vermutete er, hatte auch sein Streit mit Irc gerührt.
    Er hatte den Vogel mittlerweile seit einiger Zeit nicht mehr gesehen und begann sich Sorgen zu machen: Irc antwortete einfach nicht auf seine Rufe. Offenbar hatte er beschlossen, Hem gründlich zu bestrafen. Ungeduldig seufzte der Junge. Wenn Irc stundenlang verschwand, konnte er nie seine Befürchtungen abschütteln, ihm könnte etwas geschehen sein; andererseits wurde es erst dann wirklich bedenklich, wenn Irc nicht zum Abendessen auftauchte.
    Irc erschien später wieder, als die ersten Schatten der Abenddämmerung über das Land zu ziehen begannen und die Reisenden sich nach einem geeigneten Lagerplatz umsahen. Die Krähe stürzte sich vom Himmel herab und landete so heftig und ohne Vorwarnung auf Hems Schulter, dass dieser zusammenzuckte. Der Vogel wischte sich den Schnabel an Hems Arm ab und zwackte ihn zur Begrüßung sanft ins Ohr, als hätten sie sich nie gestritten. Unwillkürlich wanderte Hems Hand zu Ircs Hals und kraulte ihn, obwohl er ihm erst unlängst geschworen hatte, er würde ihm die dürren Beine brechen, sollte er es noch einmal wagen, seinen Schnabel zu zeigen. Da sind Menschen, sagte Irc. Nicht weit entfernt.
    Überrascht hielt Hem inne. Menschen?
    Es scheinen keine Soldaten zu sein. Auch keine Spitzel. Sie sind sehr seltsam. Hem hörte die Neugier in Ircs Stimme. Sie brüllen einander ständig an. Sie haben Schwerter, mit denen sie einander zu treffen versuchen, dann hören sie auf damit und beginnen zu streiten.
    Sind es Barden oder Untote?, fragte Hem.
    Nein. Obwohl ich zuerst nicht sicher war.
    Hem sah sich um, erblickte jedoch weit und breit keine Anzeichen von Menschen. Wo?
    Nicht weit vor uns, erwiderte Irc. Hem wusste, dass Irc keine klare Vorstellung von Entfernungen hatte. »Nicht weit« konnte zwischen hundert Spannen und einer Wegstunde alles bedeuten. Sie haben Pferde und einen großen Wagen. »Irc sagt, da sind Leute vor uns«, verkündete Hem, an Saliman und Soron gewandt. »Aber er glaubt nicht, dass es Soldaten oder Spitzel sind.« »Leute?« Jäh schössen Salimans Augenbrauen empor.
    »Er sagt, sie verhalten sich seltsam. Anscheinend kämpfen sie miteinander. Und er sagt, sie haben Schwerter.«
    Soron runzelte die Stirn. »Das Letzte, was wir brauchen, ist Arger«, meinte er. »Und jeder, der durch dieses verlassene Land wandert, muss Arger verheißen.« »So wie wir, meinst du?« Saliman lachte. »Nun, lasst uns vorsichtig sein. Es sollte recht einfach sein, ihnen auszuweichen.«
    In jener Nacht wurde augenscheinlich, dass die Fremden sich tatsächlich nicht weit entfernt befanden. Durch das Gebüsch sahen sie ein Lagerfeuer brennen, und sie befanden sich so nah, dass sie dunkle Gestalten davor erkannten. Wer immer diese Leute sein mochten, sie vergnügten sich eindeutig. Durch die Nachtluft trieben die Geräusche von Unterhaltungen, Gelächter und sogar Gesang zu den

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