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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Glühen reiner Wut war. Etwas in ihr bildete einen Mund. Ich erinnere mich, sprach dieser. Ich erinnere mich an meine Heimat.
    Komm, sagte die Stimme. Komm mit mir nach Hause.
    Schlagartig fluteten Erinnerungen zurück, und Maerad fiel wieder ein, wer sie war. Sie war kein Stern, war weder Feuer noch Raserei. Sie war Maerad. Die Stimme wiederholte ihren Namen, wob ihn zu einem Bann, knüpfte ihn zu einer Kette, zog sie näher. Sie erinnerte sich an die Stimme und wandte sich ihr freudig zu, wobei ihr Geist trudelte wie ein Blatt in einer sanften Strömung. Doch als die Erinnerung einsetzte, erfüllte sie Maerad mit plötzlichen Qualen, weckte sie auf und ließ sie sich mit Erschrecken aus dem einlullenden Bann losreißen. Sie besaß Haut und Knochen, Hände und Füße, ein Herz in der Brust und vor Tränen nasse Augen. Sie war eine junge Frau und würde sich nicht ausnutzen lassen. Meine Heimat ist niedergebrannt, sagte Maerad mit einer Stimme, die kälter war als jene, die nach ihr rief. Ich habe keine Heimat. Lüg mich nicht an, Arkan. Sie spürte die Überraschung des Winterkönigs darüber, dass sie seinen Befehl so mühelos abgeschüttelt hatte, und eine lange Weile erwiderte er nichts.
    Du bist stark geworden, meine Arkan schließlich.
    Ich könnte dich vernichten, wie ich den Landrost zerstört habe, gab Maerad zurück. Du solltest mich fürchten, o Winterkönig. Glaub nicht, dass ich dein Spielzeug bin. Ich werde nicht mit dir kommen.
    Mittlerweile konnte sie ihn in der Dunkelheit vor ihr sehen. Sein starker, weißer Körper zeichnete sich in einer Hülle blauen wabernden Lichts ab. Sein Blick wirkte klirrend wie Eis und bohrte sich in die Tiefen ihres Wesens.
    Du hast den Landrost nicht zerstört, entgegnete der Winterkönig. Du kannst keinen Elidhu vernichten. Und ich bin stärker als der Landrost. Aber du hast das Gefüge seines Wesens aufgelöst, was fast so ist, als gäbe es ihn nicht mehr. Ich fürchte dich tatsächlich, Elednor Edil-Amarandh na. Ich verstehe nicht, was du bist. Und ich bin keine Bedrohung für dich. Ich kann dich nicht binden.
    Maerad wandte die Augen ab. Nein, pflichtete sie ihm bei. Das kannst du nicht. Sie wusste, dass es eine schlichte Tatsache war. Der Winterkönig besaß keine Macht über sie. Aus seltsamem, unerfindlichem Grund erfüllte sie dies mit ein wenig Traurigkeit.
    Dennoch, meine feurige Lilie, denke ich, dass du viel zu fürchten hast, sagte Arkan. Maerad spürte den kalten Hohn, der in seinen Worten mitschwang. Du hast Feinde. Der Namenlose unterscheidet sich nicht so sehr von dem, was du geworden bist; vielleicht solltest du darüber nachdenken. Aber am meisten scheint mir, dass du dich vor dir selbst fürchten solltest.
    Damit war der Winterkönig verschwunden. Jede Spur seiner Gegenwart verpuffte schlagartig, und Maerad blieb allein in der gestaltlosen Finsternis zurück; die Tränen auf ihren Wangen waren kalt wie Eis.
    Als Maerad den Landrost zerstörte, schrumpften die Werwesen, aus dem Gewebe seines Wesens erschaffene Kreaturen, wie trockene, vom heißen Luftstrom eines Feuers erfasste Blätter. Ein paar Soldaten, die verbissen in der tödlichen Schlacht fochten, verloren das Gleichgewicht, als ihre Schwerthiebe durch Rauch sausten, statt sich in Fleisch zu bohren.
    Mehrere Herzschläge lang herrschte vollkommene Stille. Einige Menschen standen erstaunt mit offenen Mündern da und fragten sich, ob dies eine weitere List des Landrosts war. Aber alle Frauen und Männer auf den Mauern spürten, wie Leben durch ihre Adern strömte, als die grauenhafte Präsenz des Landrosts sich von ihren Seelen hob und die Kälte wich, und sie standen in einer stillen und nebligen Winternacht, die plötzlich wunderbar gewöhnlich erschien.
    Auf einer fernen Mauer wandte Silvia das Gesicht zum schwarzen Himmel empor und spürte, wie ihr heiße Tränen über die Wangen liefen; dann warf sie das Schwert nieder, um Kelia zu umarmen, die kleine, dunkle Bardin, die neben ihr stand.
    »Maerad hat es geschafft«, flüsterte Silvia zwischen rauen, heftigen Schluchzern. »Beim Licht, Maerad hat den Landrost besiegt.«
    Als die Verteidiger von Inneil zu begreifen begannen, was geschehen war, erhob sich rings um die Mauern vereinzelt Jubel. Viele weinten einfach so wie Silvia. Andere ließen sich mit ausdruckslosen Mienen zu Boden plumpsen, saßen da und starrten ins Leere, verdutzt durch ihre unverhoffte Rettung.
    Cadvan hatte das Anschwellen der sich in Maerad aufbauenden Kraft gefühlt,

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