Die Peperoni-Strategie
bestechlichen Entscheidungsträger, der nicht einmal die Grundregel der prä-konventionellen Moral einhält, die recht simpel lautet: »Eine Hand wäscht die andere!« Die Rache des Übergangenen ist perfide: Mithilfe eines Journalisten, den er instrumentalisiert, werden Gerüchte in die Welt gesetzt: Der Dezernent hätte eine Affinität zu kleinen Jungen. Der Bauunternehmer, seines Zeichens Freund moderner Popmusik, kommentiert knapp: »Das Gerücht hat ja schon bei Michael Jackson funktioniert.«
Nach zweimonatigen (Presse-)Spekulationen stellt sich zwar die pädophile Unschuld des Dezernenten heraus, seine angespannte Ehe schliddert jedoch nur knapp an der Scheidung vorbei, und im Lions-Club meidet man ihn seitdem dezent. In letzter Zeit klagt er über Herz-Rhythmus-Störungen. Unseren Unternehmer ficht das wenig an, denn aus seiner Sicht hat die Gerechtigkeit gesiegt. Mitleid hat er nicht, denn bei dem Auftrag ist es schließlich um seine Existenz und die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter gegangen!
Böses tun und sich gut fühlen: Die amerikanischen Kriminalsoziologen Sykes und Matza sprechen hier von Neutralisierungs- beziehungsweise Rechtfertigungsstrategien, um Schuld- und Schamgefühle zu vermeiden: Die Rache war gerecht und notwendig, weil man selbst Schreckliches erlitten hat. Mehr darüber erfahren Sie im Kapitel
Neutralisierungstechniken: Gut zu
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wissen – aber bitte nicht anwenden!
Die Rechtfertigung des Unternehmers ist in diesem Fall von großer Schlichtheit: Das Opfer hat selber Schuld, der Dezernent hätte sich ja an die informellen und illegalen Absprachen halten können!
Der rachsüchtige Typus ist nachtragend, er vergisst nicht. Sein unangenehmes Lebensmotto lautet: Man trifft sich immer zwei Mal im Leben! Man sollte sich vor den Rachsüchtigen vorsehen: »Ich vergesse Kränkungen und Unkollegialität von anderen nie. Gegenüber solchen Mitstreitern mache ich bei allen Gelegenheiten Politik, oder klarer gesagt: Ich versuche sie auflaufen zu lassen und in die Pfanne zu hauen. Diskret, versteht sich«, so eine Führungskraft aus der Computerbranche.
Psychoanalytisch kann von einem Versuch gesprochen werden, die angeschlagene Selbstachtung wiederzufinden. Das geschieht leider mitunter auch auf Kosten unbeteiligter Dritter, wenn man etwa an zerstrittene Unternehmenserben denkt, bei deren Streit die Belegschaft zerrieben werden kann: Ohne Rücksicht auf den Fortbestand der Firma, ohne Rücksicht auf die Zukunftsängste der Arbeitnehmer wird um jeden Bleistift erbittert gekämpft, weil vorausgegangene persönliche Kränkungen den objektiven Blick verbarrikadiert haben. Dabei ist der Kampf mit harten Bandagen gerade vor diesem Hintergrund nicht zwangsläufig nötig, da professionelle Konfliktschlichter, sogenannte Mediatoren, viel Elend reduzieren könnten, indem sie etwa die Angst vor dem gegenseitigen Übervorteiltwerden minimieren.
Hinter der rachsüchtigen Aggression steht häufig eine Enttäuschung über das Leben, vielleicht auch über die eigene missratene Lebensleistung. Oft handelt es sich um ein »an spruchsvolles Leiden«, das durch gezielte Aktivitäten wie einen »Seitenwechsel« zu relativieren wäre: Dabei erfahren Erfolgreiche das Leben der Gesellschaftsverlierer, indem sie es einige |49| Wochen in der Obdachlosenbetreuung den Sozialpädagogen gleichtun. Das Gefühl des Übervorteiltwerdens bekommt danach eine völlig andere Bedeutung. Die Relationen verschieben sich wohltuend!
Bleibt aber die Enttäuschung, führt dies schnell zu einem heimlichen Lebenshass: Statt des Glaubens an Mitmenschen und ethische Prinzipien wird zur Prestige- und Statusjagd angesetzt. Als Führungskraft ist dieser Typus auf den ersten Blick verbissen zielorientiert (und damit ein echter Leistungsträger), aber am Fortbestand des Unternehmens nicht wirklich interessiert. Biss paart sich bei diesem Menschenschlag gerne mit Bosheit. Moralische Grundwerte fehlen. Vorsicht ist geboten, denn an Nachhaltigkeit sind diese Menschen wenig interessiert.
Minderwertigkeit gut kompensiert
Von dieser Sorte gibt es viele. Diese Zeitgenossen versuchen Minderwertigkeitsgefühle auszugleichen. Sie favorisieren Ersatzhandlungen, um sich ganz bewusst größer und wichtiger aufzublasen, als sie wirklich ist. Im Volksmund heißen sie »Blender«. Durchsetzungsstärke und Dominanz stehen bei ihnen als Ersatz für produktives Handeln. Viel Substanz haben sie nicht zu bieten, sodass selbst gesteckte Ziele durch
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