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Die Peperoni-Strategie

Die Peperoni-Strategie

Titel: Die Peperoni-Strategie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Weidner
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Schwäche, Ängste oder Inkompetenzen verfehlt werden können. Aus diesen Fehlleistungen entsteht das innerliche Hadern mit sich selbst. Das innere Gleichgewicht – die Psychologie spricht vom homöostatischen Prinzip – wird gestört. Und diese Störung gilt es eben auszugleichen.
    Kompensatorische Leistungsträger haben häufig ein hervorragendes Selbstmarketing und einen tollen Auftritt, die leider aber beide nicht mit Inhalt gefüllt sind. Diese Menschen wirken |50| daher oft unberechenbar, stimmungsabhängig und sind mit einem großen Vergnügen am Misserfolg auch enger Mitarbeiter versehen. Gewalttäter sprechen in diesem Zusammenhang (wenn man mir diesen kriminologischen Vergleich erlauben mag) vom »Gesundstoßen am Leid der Opfer«. Die Aufgeblasenen empfinden diese Schadenfreude als Potenzersatz, eben als Ausgleich, als Kompensation.
    Nerviger erscheinen die kompensierenden Zeitgenossen, die auf Statuserhöhung hoffen und sich fälschlicherweise als »Label Victims« bezeichnen – und dabei hoffen, dass man ihr Gucci-Täschchen, die Rolex oder die Flasche Veuve Cliquot identifiziert: »Ich trage teuer, also bin ich großartig!« Victims, also Opfer, sind diese Markenfetischisten allerdings nicht. Die Soziologie spricht hier präziser von den Wohlstandsverwahrlosten! Die materielle Kompensation ist substanzlos und verlangt nach stets schnellerer Befriedigung. Ein erfüllter Wunsch weckt zehn neue Ansprüche. Dieses sich immer rasanter drehende Karussell hat schon manchen an den existenziellen Rand katapultiert.
    Die hässlichste Variante der Kompensierenden sind die Neo-Despoten, jene Hardliner, die den härter werdenden Wettbewerb ungebremst an die Mitarbeiter durchreichen. Sie versuchen sich über permanente Drohungen selbst zu erheben, anstatt ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern gerecht zu werden. Wortfragmente wie »Leute wie Sie müsste man …« begleiten ihren Arbeitsalltag. Diese empathie unfähige Managerspezies ist extrem leistungsorientiert, gepaart mit dem fast zwanghaften Wunsch, Mitarbeiter (und Familienangehörige) fest im Griff zu haben. Die Psychologie spricht bei dieser Führungsspezies im freudianischen Jargon vom »analen Charakter«, vom zwanghaften Handeln und Kontrollieren bis in Beruf und Familie hinein. Machtversessenheit bis zur heimlichen |51| Fantasie, gottgleich zu sein, dient dem inneren Ausgleich. Im Job funktioniert das häufig aufgrund der Hierarchie.
    Dieser Charakterzug gilt bei kulturkritischen Zeitgenossen übrigens als typisch deutsch und drückt sich in seiner volksnahen Variante als Schrebergarten-Mentalität, inklusive zwanghaftem allsamstäglichen Rasenmähen und Autowaschen aus!
    Zurück zu den ökonomischen Zirkeln. Ein weniger feines, aber kriminologisch interessantes Beispiel für eine kompensatorische Aggression bietet ein Manager aus der Chemiebranche, den ich in Zürich kennen lernen durfte:
     
    Dieser Manager ist sauer. Und zwar zu Recht, denn er hat einen siebenstelligen Auftrag gegen einen Konkurrenten verloren. Das ist bitter, aber verkraftbar, zumal unser Mann bei den letzten Aufträgen immer die Nase vorn hatte. Life goes on? Nicht bei unserem Mann, denn der leidet nicht nur unter dem finanziellen Verlust, sondern vor allem unter einer persönlichen Niederlage, da ihm im Konkurrenzunternehmen ausgerechnet sein alter Schulfreund/-feind den Auftrag wegschnappte.
    Zur Vorgeschichte: Unser Mann stand schon in der Schule – überflüssigerweise – mit diesem seinem Freund in Konkurrenz, daraus resultierte eine ambivalente Beziehung, die munter zwischen Freund- und Feindschaft hin- und herpendelte. Nach dem Abschluss machten beide ähnliche Karrieren in konkurrierenden Unternehmen, bis es zu diesem siebenstelligen Showdown kam, bei dem unser Mann unterlag. Das konnte er nicht wegstecken. Er sagte sich, dass diese Niederlage nach Ausgleich lechze, den er sich auf eher ungewöhnliche Weise verschaffte: Er zerkratzte – und jetzt wird es kriminologisch interessant – in 25 Minuten neun Luxuswagen (Kriterium: Neupreis über 50 000 Euro) mit seinem Autoschlüssel während eines abendlichen Spaziergangs in einer österreichischen Großstadt. Seine Begründung war verblüffend und kommt einem kognitiven Purzelbaum gleich: »Weil mein Freund-Feind auch so einen Wagen fährt.« Eine Stellvertreterstraftat. Und er
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fühlte sich dabei so richtig wohl! Geschämt hat er sich nicht, zumal die Nachwehen der Tat ihm drei Tage später ein geradezu

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