Die Perlenzüchterin
meinen Papieren nicht überall ausbreiten oder bis spät nachts arbeiten. Und ich vermisse es, Rakka bei der Arbeit um mich zu haben.«
»Komm, gehen wir nach Hause und erzählen es Harlan. Er wird sich freuen.«
Sie trafen Biddy schlafend und Harlan lesend an. Das Haus war ungeheuer friedvoll. Harlans Büro war geräumig – eine Wand lag hinter juristischen Büchern und seiner Sammlung früher Australiana-Ausgaben sowie neueren Büchern zu Aborigine-Themen verborgen. Es gab einen bequemen Sessel, eine lange Couch und einen Schreibtisch am Fenster, das auf die Bucht hinausging. »Wow, Harlan, das ist ja wunderbar. Vielen Dank. Hier könnte ich leben«, rief Sami aus.
»Jederzeit. Fühl dich wie zu Hause. Rakka beansprucht diesen Raum bereits für sich. Das ist der Sessel, in dem sie nachts schläft. Tagsüber macht sie auf der Veranda vor Biddys Zimmer ihr Nickerchen.«
Sami kauerte sich hin und schmuste mit ihrer Hündin. »Was hältst du von einem Spaziergang am Strand?«
»Vielleicht kommen Lizzie und ich mit, wenn du nichts dagegen hast?«
»Super. Ich wollte nach Hause laufen und den Wagen holen. Aber wenn du mich an den Moonlight Bay Apartments absetzen kannst, fange ich an, meine Papiere zusammenzusuchen. Jetzt bin ich richtig motiviert.«
Als sie über das nördliche Ende des Cable Beach spazierten, erzählte Harlan von den Jahren, in denen er in New York gearbeitet und die Rechte der Minderheiten studiert hatte. Er sprach von seiner Entscheidung, nach Broome zurückzukehren, und seinem Wunsch, den Aborigine-Kindern im Bezirk zu helfen. »Das Jugendgericht ist deprimierend. Einer nach dem anderen marschieren sie da rein, wegen kleiner Übertretungen oder echter Straftaten, die oft nur der Langeweile und einer zerrissenen Familie entspringen. Und die meisten tauchen immer wieder auf. Das ist so traurig.«
Sie erklommen den Gipfel der Düne und beobachteten, wie Rakka auf einen Schwarm Seemöwen zujagte, die sich in einer Reihe über den Strand verteilten. »Farouz wohnt gleich hinter der Düne. Sollen wir bei ihm vorbeischauen und Lizzie die Kamele zeigen?«, fragte Harlan.
»Gute Idee. Ich wollte ihn sowieso nach den Knüpfarbeiten und Bildern fragen, die er aus dieser Wüstengemeinde mitgebracht hat.«
Sie fanden Farouz unter der Zeltleinwand vor seiner Hütte, wo er eine Pfeife rauchte. Er hob zum Gruß die Hand und strahlte. »Willkommen, willkommen.« Dann stellte er zwei Klappstühle auf und holte ein Kissen für Lizzie, die von dieser ungewöhnlichen Wohnstatt ziemlich eingeschüchtert wirkte. »Ich mache Tee. Oder lieber Kaffee?«
»Bitte mach dir keine Mühe, Farouz«, meinte Harlan.
»Gäste sind ein Segen. Das ist der Brauch«, entgegnete der alte Mann und ging hinein, um Wasser aufzusetzen.
»Ich helfe Ihnen«, sagte Sami und folgte ihm. Sie war überrascht, wie sehr sich die Inneneinrichtung vom Äußeren seiner Strandbehausung unterschied. Auf dem Boden lagen schöne alte Teppiche, an einer Wand hing ebenfalls einer, andere waren über eine alte Couch geworfen. Ein alter, reich verzierter Ledersattel mit hoher Rückenlehne war auf Hochglanz poliert und diente nun als Untersatz für ein großes Messingtablett, das den Couchtisch bildete. Daneben stapelten sich persische Taschenbücher.
Bald saßen sie bequem im Schatten unter der Zeltplane. Vom Meer her kam eine leichte Brise. Farouz bewirtete sie umständlich mit süßem aromatischem Kaffee und einem Teller mit Datteln und Nüssen. Für Lizzie gab es Gebäck.
Nach etwas Smalltalk fragte Sami nach den Gemälden und den geknüpften Wandbehängen, was Farouz unangenehm war. Er wurde vorsichtig.
»Ich kann über diese Dinge nicht viel sagen. Ich möchte den Frauen, die sie anfertigen, helfen, ein bisschen Geld zu verdienen. Die Künstlerinnen möchten diesen neuen Stil unbedingt weiterverfolgen.«
»Die Sachen sind etwas Besonderes. Sie wissen ja, ich studiere Kunst. Ich würde sie gerne kennen lernen. Rosie hat mir gesagt, Sie fahren wieder dorthin. Könnte ich Sie begleiten?«
Der alte Mann zögerte, er war ein wenig überfahren worden und wusste nicht, was antworten.
Harlan versuchte zu helfen. »Farouz, ich glaube, du kannst dich darauf verlassen, dass Sami das nötige Feingefühl hat, worum auch immer es bei den Frauen, bei allen Leuten da draußen geht. Vielleicht kann sie euch helfen.« Er wusste nicht, worum es ging, doch er folgte seinem Instinkt.
Farouz trank seinen Kaffee und betrachtete seine Pfeife. Dann schien er
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