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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Leute setzten sich im Schneidersitz auf den Boden. »Zeit für die Meditation«, flüsterte Gaye.
    Pauline und Sami sahen sich an und zuckten mit den Achseln. Sie saßen in dem kleinen, überfüllten Raum in der Falle. Die Tür war geschlossen, der Mönch betätigte den kleinen Messinggong neben sich und ließ sich dann im Lotussitz nieder. Als Sami die Beine zum Schneidersitz kreuzte, musste sie sich zwischen Pauline und den Mann zu ihrer Rechten zwängen. Als sie sich entschuldigen wollte, blickte sie zu ihrer Bestürzung in das lächelnde Gesicht von Tim Hudson.
    »Ich dachte, Sie wären in Indonesien«, flüsterte sie.
    »Ich bin wieder da.« Er schloss die Augen und saß bequem da, die Hände ruhten mit den Handflächen nach oben auf den Knien.
    Die meisten Menschen im Raum hatten die gleiche Haltung eingenommen, und es war sehr still geworden. Sami schloss ebenfalls die Augen, doch in ihrem Kopf rasten die Gedanken. Warum war Tim hier? Ihre Mutter hatte nichts davon gesagt, dass er zurück sei. Einen Augenblick lang war sie verärgert, doch bald beherrschten die Geräusche im Raum ihre Gedanken: Jemand nahm eine andere Haltung ein, ein unterdrücktes Husten, dann sanftes Atmen. Allmählich verfielen alle in einen gemeinsamen Atem-Rhythmus, so als wären sie eine einzige Person. Die Geräusche von draußen schienen leiser zu werden. Schließlich war alles still.
    Vor Samis innerem Auge liefen die Tage bei den Felsbildern in der Wüste wie in einem Stummfilm vorbei. Was hatte sie jetzt darauf gebracht? Sie sah die friedvolle Landschaft unterhalb des Steilabbruchs in Richtung Fluss, spürte nach der Kühle unter dem Felsüberhang die Sonnenwärme. Und als hätte jemand den Ton wieder angestellt, hörte sie in der Höhle hinter sich ein Rascheln, den leisen Singsang von Goonamulli, den Ruf eines Vogels. Sie sah die fremdartigen, stark vereinfachenden Felsgravierungen des Sonnensymbols vor sich, doch nun loderten sie wie ein Sonnenaufgang, tiefrot und golden. Sie stand am Rand des Abhangs, beugte sich vor und spürte ganz kurz: noch ein wenig weiter, und sie könnte fliegen.
    Unvermittelt wurde Sami wieder bewusst, wo sie wirklich war. Sie bemerkte, dass sie sich zur Seite geneigt und leicht bei Tim angelehnt hatte. Ohne die Augen zu öffnen, setzte sie sich wieder aufrecht hin und fragte sich, ob es ihm aufgefallen war. Wie von weither drang das Murmeln des Mönchs zu ihr, und ein leises Summen ging von den Menschen im Raum aus, das sich bald anhörte wie ein Bienenschwarm und dann vom Gong zum Schweigen gebracht wurde. Sami sah sich um. Die Leute setzten sich auf, streckten sich, lächelten, redeten leise miteinander. Sie blickte zu Tim und stellte fest, dass er sie amüsiert beobachtete.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie was mit Buddhismus am Hut haben«, sagte er mit einem feinen Lächeln.
    »Hab ich auch nicht. Ich saß hier in der Falle. Und Sie sind doch bestimmt kein Buddhist?« Diese Frage konnte sie sich nicht verkneifen.
    »Sie können nicht in Asien leben, ohne ein gewisses Verständnis dafür zu entwickeln«, meinte Tim leichthin. »Hallo, Pauline, wie läuft das Geschäft?«
    »Gut. Ich bin auf der Suche nach Inspiration.«
    »Sami müsste doch ein paar Ideen haben«, sagte er.
    »Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Sami. Sie war sich bewusst, dass sie unfreundlich klang.
    »Intuition.«
    Sie ignorierte das. »Haben Sie meine Mutter getroffen? Seit wann sind Sie wieder da?«
    »Seit gestern Abend. Ich habe Lily vor kurzem angerufen und esse bei Ihnen zu Mittag. Sehe ich Sie dort?«
    »Nein. Pauline und ich sind zum Mittagessen verabredet.«
    Pauline versuchte rasch, ihre Verblüffung darüber zu verbergen, und lächelte ihn kurz an. »Bis bald, Tim.«
    Er grinste zurück, wie im Flirt. »Das will ich doch hoffen.«
    Als sie außer Hörweite waren, fragte Pauline: »Was war denn das jetzt mit der Verabredung zum Mittagessen?«
    »Er macht mich wirklich wütend! So, wie der sein eigenes Ding durchzieht! Er wirkt herablassend. Ich hoffe, meine Mutter weiß, was sie tut. Ich nehme mal an, die beiden wollen über den nächsten Schritt sprechen, wenn die Investoren mitmachen.«
    »Findest du nicht, du solltest dabei sein?«, fragte Pauline.
    »Ich werde es ja heute Abend erfahren, nehme ich an. Komm, ich lade dich zum Essen ein.«
    »Muss aber schnell gehen. Heute Nachmittag kommen zwei Leute zu mir, die für mich Muschelgravuren anfertigen sollen.«
     
    Später schaute Sami bei Rosie in der Galerie

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