Die Perlenzüchterin
jeden Tag für meinen Onkel.
Mit dem Segen meiner Mutter ging ich mit meinen Töchtern zum Haus eines Teppichhändlers auf dem Bazar von Herat und nahm Kontakt zu meinem Mann auf. Es war wunderbar, wieder zusammen zu sein. Sogar in der drangvollen Enge eines Zimmers über einem kleinen Laden. Azad warnte mich, die Lage sei gefährlich und würde es noch lange bleiben. Deshalb wollten wir fliehen, nach Pakistan. Er hatte Freunde hinter der Grenze, nicht weit von Peshawar.
Doch eines Abends kam ein Freund aus dem Krankenhaus und erzählte uns, Azad sei festgenommen worden. Wir konnten ihn nicht finden, niemand sagte mir etwas. Schließlich hörte ich, er sei umgebracht worden. Ich glaubte das nicht. Ich wollte es einfach nicht glauben! Er hatte Leuten bei der Flucht geholfen, die Verwundeten behandelt und Nachrichten über die Ereignisse in unserem Land nach draußen geschmuggelt. Irgendwann wusste ich, dass Azad niemals wiederkommen würde.
Später erhielt ich Nachricht, dass man ihn tatsächlich ermordet hatte, und dass seine letzte Botschaft an mich gelautet hatte, ich solle mit den Mädchen fliehen. Also verkaufte ich praktisch alles, was ich hatte, und wanderte über die Grand Trunk Road und den Khaiberpass nach Pakistan. Wir schlüpften bei afghanischen Freunden unter, die meinen Mann gekannt hatten. Dann trafen wir langsam über ein Kontaktnetzwerk Vorbereitungen, um uns dem Flüchtlingsstrom ins Ausland anzuschließen. Es war unmöglich, ordentliche Papiere oder einen Pass zu bekommen. Mittlerweile hatte ich auch erfahren, dass meine arme Mutter gestorben und unser Haus abgebrannt war, wissen Sie. Ich hatte nur noch meine Mädchen.
Es war eine schreckliche Zeit; dazu noch eine albtraumhafte Reise. Ich hatte mein Land noch nie zuvor verlassen, und es war merkwürdig, auf der heißen tropischen Insel Roti in Indonesien anzukommen. Wir waren so viele, alle waren wir Bauern in einem internationalen Schachspiel um Geld. Viele Monate blieben wir auf der Insel, bis einer der Schmuggler sich bereit erklärte, uns nach Australien zu bringen. Es war ja sehr nah, die Australier wussten von den schrecklichen Dingen, die in unserem Land geschahen, und würden uns helfen. Ich gab dem Mann alles Geld, das ich hatte, und packte unsere Kleidung und einige persönliche Kostbarkeiten in meine Teppichtasche.
Man hatte uns gesagt, das Schiff sei komfortabel, doch es stellte sich als stinkendes altes Fischerboot heraus. Wir konnten nur dicht zusammengedrängt darin sitzen, zusammengepfercht wie die Tiere. Es gab wenig zu essen, normalerweise nicht mehr als eine Tasse Reis. Das Meer war sehr aufgewühlt, und meine Töchter Madhu und Roshani wurden seekrank und weinten.
Dann eines Nachts, man hatte uns gerade gesagt, wir wären ganz nah an Australien, und wir waren alle ganz aufgeregt und vergaßen für einen Augenblick das grässliche Schlingern des Boots bei dem schlimmsten Sturm der Überfahrt, da setzte der Motor aus. Es gab viel Geschrei bei der Mannschaft und dann bei uns allen, denn plötzlich war Wasser im Boot. Es sank schnell. Wir hatten keine Schwimmwesten, kein Rettungsboot. Bei einer armen Frau setzten die Wehen ein.
Als Nächstes knirschte und krachte es – das Schiff war auf ein Riff gelaufen. Dann brach die Hölle los. Jedermann krabbelte wie wild los, um vom Schiff zu kommen, aber ich schaffte es irgendwie, meine beiden Mädchen bei mir zu behalten, bis wir alle im Wasser waren. Eine Frau schrie, ihr Baby kam zur Welt. Zwei Männer versuchten, ihr zu helfen. Die Wellen waren hoch, und meine dreijährige Tochter Madhu wurde mir entrissen. Ich fühle heute noch ihre kleine Hand in meiner, wie sie versucht, sich festzuhalten. Meine fünfjährige Tochter klammerte sich an mir fest – bis ein Stück Holz vom Schiff uns beide traf.
Im ersten Licht wachte ich auf. Ich lag auf scharfen Korallen, nicht weit vom Strand, um mich herum Trümmer von unserem Schiff. Ich rappelte mich hoch und rief nach meinen Töchtern. Ich fand die Leichen eines Mannes und einer Frau. In der Morgensonne sah ich ein kleines offenes Boot durch die Trümmer fahren. In dem Boot saßen zwei schwarze Männer und zwei Männer von unserem Schiff. Sie zogen mich an Bord, und wir fuhren in Kreisen die Gegend ab und suchten meine Mädchen. Ich fand nur meine Teppichtasche, die sich im Treibholz verfangen hatte. Wir waren die einzigen Überlebenden.
Die Männer nahmen uns mit zu sich, an die Küste. Irgendwo war zwar eine Missionsstation, aber
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