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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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getröstet werden wollte, in eine Person, die alles geben wollte, um die Qual in Leilas Blick zu lindern.
    »Wie kann ich helfen? Was möchten Sie?« Sie fühlte sich überfordert. Dieser Schmerz war größer als alles, was sie sich hätte vorstellen können.
    Es war absurd, dass sie hier in der australischen Wüste zusammensaßen, doch was zählte der Ort? Manche Menschen unternehmen in ihrem Leben Reisen von epischen Ausmaßen, sei es freiwillig, durch die Umstände oder eine Tragödie bedingt. Sami versuchte, sich an Leilas Stelle zu versetzen, aber es gelang ihr nicht. Würde ich nicht das Gleiche tun?, fragte sie sich. Wir sind eine Nation von Bootsflüchtlingen. Sie brauchte nur an ihre eigene Familie zu denken: Da war ihr zur Hälfte amerikanischer Vater, ihr irischer Ururgroßvater Tyndall, ihre makassarische Verwandte Niah, deren Vorfahren mit dem Monsun von Sulawesi nach Australien gekommen waren, ihre englische Familie durch Conrad Hennessy. Sie alle waren auf der Suche nach einem neuen Leben hierher gekommen. Und wenn sie nun diese gebrochene Frau mit dem sanften Gesicht vor sich sah, konnte sie ihr angesichts ihrer Geschichte sagen: »Sie sind hier nicht willkommen?«
    Farouz kam zu ihnen herüber und fragte leise: »Ihr habt miteinander gesprochen?«
    »Ich will ihr helfen, Farouz.« Sami wandte sich an Leila. »Wollen Sie hier bleiben? Oder in eine Stadt ziehen? In eine Großstadt vielleicht? Vielleicht können Sie wieder unterrichten?«
    Leila zog die Schultern hoch. »Mir fehlt der Mut, in einer Großstadt zu arbeiten. Ich würde mich fürchten. Hier fühle ich mich wohl, das Leben ist einfach.«
    »Wo soll sie denn hingehen? Sie ist illegal hier. Sie ist in diesem Land nicht erwünscht«, erinnerte Farouz Sami.
    »Aber wenn die Menschen sie kennen lernen, ihre Geschichte hören«, widersprach Sami heftig. »Dann wäre es anders. Ich kann Harlan bitten, ihr zu helfen. Er ist Anwalt.«
    »Das wäre vielleicht hilfreich. Würde ihr mehr Sicherheit geben«, stimmte Farouz zu.
    »Sicherheit? Was heißt das? Dieses Wort bedeutet mir kaum noch etwas«, sagte Leila und stand auf.
    Die drei gingen zurück zu den anderen Künstlerinnen. »Ich kann verstehen, dass Sie hier bleiben wollen. Im Augenblick«, meinte Sami. »Aber es besteht trotzdem die Gefahr, dass irgendjemand Sie meldet. Dann kämen Sie in ein Internierungslager.«
    »Ich will nicht eingesperrt werden, hinter Stacheldraht. Hier kann ich gehen, wohin ich will, die Sterne betrachten, die Sonne auf- und untergehen sehen. Meine Gebete sprechen, mich zumindest körperlich, wenn auch nicht geistig frei fühlen. Diese Frauen sind gut zu mir. Die Männer waren diskret und haben keinem erzählt, dass ich hier bin. Sie sagen, ich bin ihr besonderes Geheimnis. Ist das nicht schön?«
    »Du hast ihnen auch geholfen«, sagte Farouz beruhigend. »Die Gemälde und die Knüpfarbeiten, die ich nach Broome mitgenommen habe, wurden sehr bewundert. Das stimmt doch, Sami?«
    »O ja«, sagte Sami, die den Faden rasch aufnahm. »Rosie sagt, sie kann sie leicht verkaufen. Sie hätte gerne mehr davon. Sie schaffen hier wundervolle Dinge, Leila, Sie helfen den Frauen, ihre künstlerische Begabung zu erweitern!«
    Leila sah Sami aus leeren, ausdruckslosen Augen an. »Und wer wird mir helfen? Niemand kann das! Niemand kann mir die zurückbringen, die ich liebe … und vermisse.«
    »Ich weiß«, sagte Sami und legte Leila den Arm um die dünne Taille. »Aber wir können wenigstens versuchen zu erreichen, dass Sie sich sicher fühlen können. Einen Weg finden, damit Sie hier bleiben können. Eines Tages können Sie vielleicht wieder nach Hause …«
    Leila schüttelte den Kopf. »Wozu? Dort warten nur Trauer und schmerzhafte Erinnerungen auf mich. Ich habe keine Familie mehr. Ich habe niemanden, den ich lieben kann.«
    »Sie können mich lieben!« Sami platzte damit heraus, ohne nachzudenken. Sie war über sich selbst entsetzt. Was für ein merkwürdiger Gedanke von ihr! Sie wollte Leila so sehr helfen, mit jeder Faser ihres Seins, und dabei fühlte sie sich völlig hilflos.
    Farouz nickte. »Um sich selbst lieben zu können, muss man andere lieben. Schuhud, das lebendige Erleben der Liebe, ist das Ziel jeder Seele. Das habe ich in den Büchern meines Vaters gelesen.«
    Leila sah Sami fest in die Augen. »Sie sind ein guter Mensch. Und Sie haben ein gütiges Herz. Was immer geschehen mag …« Sie brach ab.
    Gussie holte die kleine Gruppe wieder auf die Erde zurück.

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