Die Perlenzüchterin
Gespräch wieder aufnahm. »Ich war nicht sehr nett zu Ihnen, was?«
»Ich kann’s verstehen. Sie wollen nur das Beste für Ihre Mutter. Das ist mir recht. Es hätte ja sein können, dass ein eloquenter Betrüger sie übers Ohr hauen will.«
Sami war nachdenklich.
»Wie passt Dave da rein? Ich weiß nicht recht, was ich von ihm halten soll. Ob er einfach nur ein Versager ist, ein einsamer alter Schluckspecht, oder ob er wegen irgendeinem Verbrechen aus England geflohen ist. Oder alles zusammen.«
»Es hat ein Weilchen gedauert, aber ich habe ihm seine Geschichte aus den Rippen geleiert. Aber das bleibt unter uns, ist das klar? Es wäre ihm verdammt peinlich, wenn Ihre Mutter davon erfährt.«
»Du liebe Güte, was für eine Geschichte?«
»Der alte Dave heißt eigentlich David Francis James George und ist der Sohn eines Adligen, des Sehr Ehrenwerten Richard Charteris, Absolvent von Eton und Christ Church in Oxford, einst konservativer Abgeordneter für Haddingtonshire.«
»Nein!«, rief Sami und musste laut lachen, als sie sich Dave vorstellte, wie er für gewöhnlich aussah: ein hagerer, runzliger, sonnengebräunter Mann mit zerzausten Haaren, schmuddeligen Shorts, altem T-Shirt und halb zerfetzten Turnschuhen.
»Dave wurde als Teenager in die Kolonie geschickt. Man hoffte, dass man dort aus einem Waschlappen einen Mann machen würde. Er hat auf irgendeiner großen Farm im Northern Territory gearbeitet und sich da wie in seinem Element gefühlt. Er wollte nicht mehr zurück. Im Gegenteil, von ihm aus konnte sein Bruder gern Gutsherr sein. Seitdem treibt Dave sich im Northern Territory und in den Kimberleys herum.«
»Woher hatte er denn das Geld, um die Star Two zu kaufen? Hat er das Familiengut geerbt, oder hat sein Bruder ihn ausgezahlt?«
»Noch anders: Sein Opa hat ihm den Großteil seines Geldes hinterlassen, und sein Vater und sein Bruder sind deswegen vor Gericht gezogen. Dave nahm einen bescheidenen Vergleich an und zog von dannen – davon hat er die Farm gekauft. Nach dem Tod seines Vaters hat Daves Bruder den Besitz übernommen.«
»Also sollte er eigentlich das House of Lords unsicher machen, statt hier oben auf einer alten Farm zu hausen?« Sami lachte. »Kein Wunder, dass ihn die Rentabilität der Farm nicht so drängt. Wie viel hat er denn wohl von seinem Erbe noch?«
»So weit bin ich nicht vorgedrungen. War ein bisschen zu persönlich.« Tim suchte das Meer ab, warf einen Blick auf den Kompass und zur Küste, dann auf die Karte. »Man weiß nie, wie die Menschen wirklich sind, bis man ihre Geschichte kennt. Sie sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.«
»Ich weiß«, erwiderte Sami leise. »In der Wüste habe ich eine ganz besondere Frau kennen gelernt. Wir sollten nicht über Menschen urteilen, bevor wir ihre Geschichte gehört und die Wahrheit über sie erfahren haben.«
»Einverstanden.« Beide verstummten. Dann deutete Tim zur Küste. »Sehen Sie die Landzunge mit der Felswand? Da ungefähr gehen wir an Land. Nette kleine Bucht, gut geschützt. Wir bekommen Biddy dort relativ leicht ans Ufer.«
»Falls Bridget und Dolly die Nachricht bekommen haben«, meinte Sami.
»Sie werden dort sein. Sie wissen diese Dinge.«
Biddy rührte sich, setzte sich ein wenig aufrechter hin und legte den Kopf schräg, als lausche sie. »Fast zu Hause, Biddy«, sagte Sami.
»Ja. Kann das Land hören, ruft nach mir.«
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Kapitel neunzehn
Hand in Hand spazierten Bobby und Mika über einen menschenleeren Sandstrand an der Red Rock Bay. Zwei niedrige Landzungen umschlossen den Strand – er wirkte einsam und verlassen. Doch der Eindruck trog, der Strand gehörte zur Star Two. Allerdings lag er weit vom Hauptlager entfernt und war durch tropisches Dickicht, Palmen und Mangroven abgetrennt.
»Es ist so schön hier«, seufzte Mika und blieb stehen, um den Anblick zu genießen. »In Japan wäre es ein Traum, an einem solchen Ort zu leben.«
»Wir sind doch alle Träumer. Ich versuche immer noch, meine Träume und Pläne zu verwirklichen«, sagte Bobby.
Mika nahm seine Hand, und sie gingen weiter. »An schönen Träumen ist nichts auszusetzen«, beteuerte sie.
»Und wovon träumst du, Mika?«
Sie hob eine kleine Muschel auf und ließ sie in ihre Hosentasche gleiten. »Die Träume japanischer Mädchen sind nicht besonders aufregend. Ich bin gerne Lehrerin. Aber im Allgemeinen bestehen unsere Optionen in einer konventionellen Laufbahn als Sekretärin und so weiter, dann Heirat und
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