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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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verstauten.
    »Kein Wort zu niemandem«, warnte Tim, als sie an Land ruderten, um Biddy im Lager zu treffen.
     
    Auf dem Pfad zum Lager überraschte sie ein Aborigine. Er stellte sich vor sie. »Privatgrundstück. Da könnt ihr nicht hin«, sagte er barsch. Seine nackte Brust war mit Initiationsnarben übersät.
    »Alles in Ordnung, ich will Biddy und Dolly und die anderen treffen«, sagte Sami. »Sie kennen mich.«
    Er trat beiseite, sah jedoch zu Tim. »Was mit ihm? Er Familie? Er machen Zeremonie?«
    Tim blieb stehen. »Ich habe kein gutes Gefühl dabei, Sami. Ich denke, ich gehe am besten zurück und warte im Boot.«
    »Okay. Ich komme später und erzähle dir, was los ist.«
    Als Sami und der Mann das Lager erreichten, war es verlassen, doch in der Ferne hörte sie Gesang. Er bedeutete ihr, sie solle dem Pfad in Richtung des Gesangs folgen. Schließlich kam sie zu einer Lichtung und blieb entgeistert stehen. Eine Zeremonie war im Gange, deren Mittelpunkt ein Baum war. Um den Baum saßen Männer, die sich den Körper mit Ocker bemalt hatten, und intonierten einen tiefen, volltönenden Sprechgesang. Die Frauen saßen ein Stück entfernt mit dem Rücken zu ihnen und schlugen mit Stöcken den Takt. Sie hatten sich alle Gesicht, Brust und Arme mit weißem und braunem Ocker bemalt. Janet saß an einer Seite. Als sie Sami erblickte, stand sie auf und ging zu ihr.
    »Ach, Sami«, sagte sie ernst und nahm ihre Hände.
    »Was geht hier vor? Wo ist Biddy?« Sami sah Biddy nirgends.
    »Sie ist da drüben, diese Zeremonie findet ihr zu Ehren statt«, sagte Janet sanft. Sami suchte erneut die Frauen ab. »Biddy ist gestorben, Sami. Wir konnten dich nicht erreichen.«
    »Nein. O nein. Es tut mir so Leid … ich hätte sie nicht allein lassen sollen.« Tränen traten ihr in die Augen und liefen ihr übers Gesicht. »Oh, die arme Biddy.«
    »Es ist alles in Ordnung, Sami. Sie hat sich das so ausgesucht. Biddy hat alles zu Ende gebracht, was sie tun wollte, und dann hat sie sich unter den Baum da gelegt und ist einfach eingeschlafen.«
    »Wirklich? Einfach so?«
    »Es war Biddys Entscheidung. Die Männer singen ihren Geist aus ihrem Körper und bringen ihn auf den Weg. Komm, setz dich zu uns.« Sie führte Sami an den Rand der Lichtung, wo in Dosen und Gläsern Ocker bereitstand. Rasch malte sie Sami weiße Streifen auf Gesicht und Arme und führte sie in den Kreis.
    »Wo ist Biddy?«, brachte Sami hervor.
    »Sie ist in Rinde gehüllt, da auf dem Baum.«
    Sami entdeckte Biddys verhüllte Gestalt zwischen den kahlen Ästen. Und Rakka saß geduldig am Fuß des Baumes. Ihre Blicke trafen sich. Die Hündin stellte die Ohren auf und legte den Kopf schräg. Sami bedeutete ihr mit der Hand, sie solle sitzen bleiben, und Rakka rührte sich nicht.
    »Rakka ist Biddy nicht von der Seite gewichen. Der Hund hat neben Biddy geschlafen, als wir sie morgens fanden«, sagte Janet, als sie und Sami sich zu den anderen in den Kreis setzten.
    Zwei Stunden später beendeten die Männer ihren Gesang. Sami saß mit trockenen Augen und völlig ausgelaugt da. Das rhythmische Klopfen und die gesamte Atmosphäre hatten eine reinigende Wirkung auf sie gehabt. Sie hatte zurück an ihre Zeit mit Biddy gedacht, an die Schwierigkeiten, die sie mit der verhutzelten alten Frau gehabt hatte, weil sie wusste, dass zwischen ihnen ein familiäres Band bestand. Aber jetzt und heute war sie stolz darauf, Biddy gekannt zu haben. Diese starke Frau, die ein schweres Leben gehabt hatte, deren Humor und Kraft aber dennoch nie nachgelassen hatten. Sami fragte sich, ob Rosie und Harlan von Biddys Tod wussten. Sie kam zu dem Schluss, dass sie es – zumindest intuitiv – spüren würden. Ihr fiel wieder ein, wie traurig Rosie beim Abschied gewesen war. Sie hatte damit gerechnet.
    Die Männer unterhielten sich.
    »Sie warten, bis sie sicher sind, dass der Geist ihren Körper verlassen hat«, erklärte Janet. »Biddy bleibt so lange hier, bis es Zeit ist, sie zu ihrer Grabstätte zu bringen.«
    »O Gott«, flüsterte Sami. Dann pfiff sie leise nach Rakka, die glücklich auf sie zusprang. Sami kniete nieder und umarmte ihre Hündin. »Gutes Mädchen, braver Hund, hast auf Biddy aufgepasst. Arme Biddy.« Und dann wurde Sami von ihren Gefühlen übermannt.
    Sie weinte nicht nur um Biddy, sondern auch aus Erleichterung, dass ein kleiner Damm in ihr plötzlich weggerissen war, und mit ihm eine Blockade, ein Hindernis. Ihr Leben würde von nun an leichter und glücklicher

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