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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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sein.

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Kapitel zwanzig
    Die rostige Klimaanlage im Fenster des alten Schuppens klapperte. Lily und Mika sahen zu, wie Vivian, die Chefoperateurin der Farm, eine große
Pinctada-maxima
-Auster in die Klemme auf ihrer Werkbank schob. Es war ein mit Spannung erwarteter, aufregender Augenblick: der Beginn der Ernte.
    Heute sollte der erste große Schwung Muscheln aus der Bucht geöffnet werden. Niemand sprach, als Vivi die Auster rasch und sicher öffnete und ihre Arbeitslampe auf das Muschelinnere richtete. Behutsam führte sie die gekrümmte Sonde ein, machte einen Einschnitt im Perlensack und zog eine glänzende, schimmernde Perle aus dem schleimigen Gewebe.
    Sie ließ sie in eine flache Schale fallen. Lily stieß einen leisen Schrei des Entzückens aus und lächelte Mika zu. Vivi machte sich unterdessen gelassen daran, der Muschel einen neuen Kern aus einem Stück Perlmutt einzusetzen, das von einer Mississippi-Muschel stammte. Schon dieser Kern war äußerst wertvoll.
    »Genau davon wollen wir noch mehr sehen«, sagte Vivi, »eine entzückende runde Fünfzehn-Millimeter-Silberweiße. Topqualität. Kein schlechter Anfang, wenn ihr mich fragt! In zwei Jahren bringt diese Auster wieder eine hervor, vielleicht noch größer.« Vivi tätschelte die Muschel und legte sie in das Becken neben sich. »Sie ist heil und gesund, man kann ihr bestimmt noch zwei Kerne einsetzen.«
    »Es ist wirklich ein erhebender Augenblick, wenn man sieht, wie etwas so Schönes, eine solche Naturschönheit aus ihrem Versteck kommt«, meinte Mika.
    »Möchtest du es mal versuchen, Mika? In Ordnung, Lily?«, fragte Vivi und steckte die nächste Auster in die Halterung. Sie stand auf, und Mika nahm nervös ihren Platz ein.
    »Nur Übung macht den Meister«, sagte Lily. Doch sie hielt den Atem an, als Mika die Sonde in die Muschel einführte. Sie musste ein bisschen herumtasten, ehe sie unter Vivis Anleitung den Perlensack fand, einen Einschnitt machte und das Gewebe auseinander klappte. Ein goldener Schimmer drang durch das Mantelgewebe, und eine dicke Perle kam zum Vorschein. Noch ehe Mika sie aus der Muschel geholt hatte, wussten Lily und Vivi, dass diese Perle eine Schönheit war.
    »Gut gemacht, Mika! Es ist eine prachtvolle Goldene, seht nur den Lüster!« Sie reichten die Perle herum. Das dicke Kügelchen wirkte beinahe lebendig, so intensiv war die Farbe, so sehr leuchtete es von innen heraus.
    »Du bist ein Naturtalent, Mika! Du bringst uns Glück«, sagte Vivi und glitt wieder auf ihren Platz, um der Muschel einen neuen Kern einzusetzen. Sie arbeitete rasch und sicher, jahrelange Praxis führte ihr die Hand.
    »Das ist wie die Geburt eines Babys«, meinte Mika.
    »Es hat etwas davon. Du musst die Muscheln wie Babys behandeln, musst sie sauber und gesund halten, sie ernähren, ständig auf sie aufpassen«, sagte Lily lachend. »Wenn die Leute wüssten, wie pflegeintensiv und empfindlich Perlenaustern sind, würden sie Perlen noch höher schätzen. Mein Gott, sie wird atemberaubend sein als Zentrum eines Schmuckstückes!«
    Die nächsten Muscheln waren nicht so lohnend. »Die haben ihr Haltbarkeitsdatum schon überschritten. Sind vielleicht noch für Mabeperlen zu gebrauchen«, erklärte Vivi. »Dein Patient, Mika.«
    Mika bekam langsam Übung darin, wie man den älteren Muscheln Kerne einsetzte. Aus diesen wurden dann Halbperlen, die für weniger teuren Schmuck verwendet wurden. Mika hatte die Prozedur innerhalb eines Tages erlernt – man klappte das Mantelgewebe zurück und klebte sechs oder sieben abgeflachte Plastikperlen in verschiedenen Formen auf die Innenseite der Muschel. Nach etwa neun Monaten hatte die Auster sie mit Perlmutt überzogen und man würde die Halbperlen herausbohren, wobei die Auster getötet wurde. Deshalb nahm man dafür nur alte Muscheln.
    Dave brachte die nächste Kiste Muscheln zur Ernte herein. »Wie sieht’s aus?«
    »Mika hat gerade eine Schönheit an Land gezogen. Sieh dir die hier an, Dave!« Lily hielt die goldene Perle hoch, und Dave stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Dafür lohnt es sich doch!« Lily war in Hochstimmung. Jetzt konnte sie die gespannte Erwartung nachvollziehen, die zur Erntezeit von den Mitarbeitern Besitz ergriff. Sie hoffte, Tim und Sami kämen bald zurück und würden das miterleben.
    Später brachte Dave mehrere Schalen Muscheln zu Lily in ihr Häuschen, wo sie im besten Licht einen Tisch zur Graduierung der Perlen aufgestellt hatte. Er hatte die Perlen flüchtig poliert, um

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