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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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seiner Brust, nicht weit vom
Herzen. Blut sickerte aus der Wunde, und sie wusste, er war dem Tod geweiht und
stellte keine Gefahr mehr für sie dar. Sie beugte sich zu ihm hinab.
    „Warum?“, flüsterte sie mit rauer Stimme. „Sicher nicht
wegen dem Gold.“
    Die fast unheimliche Konzentration war aus seinem Gesicht
gewichen, nun sah er wieder aus wie ein verängstigtes Kind, das mit großen,
ratlosen Augen zu ihr aufsah.
    „Warum?“, fragte sie noch einmal. „Was habe ich dir getan?“
    „Meine Familie“, hauchte er kaum hörbar, während Blut aus
seinem Mund rann, „…alle tot ... ich allein übrig …“
    „Aber das war nicht meine Schuld!“
    Das Blut sprudelte nun stärker über seine Lippen und
erstickte seine Worte fast. „…verstümmelt … niemals wieder … Familie …“
    Eunuchen waren eine verschworene Gemeinschaft. Bis auf die,
die sich von allen Menschen abwandten. Ein letzter Schwall Blut schoss hervor.
Artaschura schloss die Augen und wurde starr. Paruschjati wandte sich ab. Sie
nahm den Dolch, den sie ihm abgenommen hatte, und stand auf. Ihr Blick wanderte
zu der Tür, die nach drinnen führte, voller Furcht, was sich hinter ihr
verbarg. Lautlos schlich sie hinüber und öffnete sie vorsichtig.
    Sie waren alle tot. Die Lampen waren verloschen, überall
lagen zertrümmerte Möbel und anderer Hausrat, und überall lagen Tote. Sie
huschte von einem zum anderen und leuchtete ihnen mit Artaschuras Lampe ins
Gesicht. Vidarna fand sie draußen vor dem Haupteingang, zusammen mit seinen
Gefolgsmännern. Seine Hand umklammerte noch immer den Griff des Akinaka, mit
dem er die Tür bis zuletzt gegen die Angreifer verteidigt hatte. Brust und
Gesicht waren von klaffenden Wunden übersät.
    In ihrem Schlafzimmer, auf dem Boden vor dem Bett, fand
Paruschjati in einer Blutlache die Leiche einer Frau. Der Hals endete in einem
blutigen Stumpf, doch mit überwältigender Gewissheit wusste Paruschjati, dass
es Frataguna war. Mit einem Aufschrei fiel sie neben ihrer Schwester auf die
Knie. Ein Würgen verschloss ihre Kehle, sie weinte hemmungslos, als sie den verstümmelten
Leichnam in den Armen hielt. Wie kannst du denken, dass du mir nicht wichtig
bist, Frataguna? Du bist meine Schwester! Wenigstens das hatte sie ihr noch
sagen können, bevor sie starb.
    Nach und nach konnte sie wieder klare Gedanken fassen. Sie
wusste, ihr blieb keine Zeit. Die Angreifer hatten Fratagunas Kopf mitgenommen,
als Beweis für die Erfüllung ihres Auftrags. Es würde nicht lange dauern, bis
ihr Fehler bemerkt wurde. Dann würden sie zurückkommen und es zu Ende bringen.
Doch noch konnte sie nicht fort.
    Aspamithra lag nicht weit vom Haupteingang, sein Anblick
erinnerte Paruschjati auf schockierende Weise an den Bagapatas vor vielen
Jahren – ein weiterer treuer Eunuch, der in Erfüllung seiner Pflicht gestorben
war. Doch so lang sie auch suchte, sie fand weder Faiduma noch Mannuja. Wenn
die Angreifer die beiden nicht mitgenommen hatten, dann war es ihnen vielleicht
gelungen, dem Blutbad zu entkommen. Ein flüchtiges Gefühl der Erleichterung
rieselte über Paruschjati hinweg.
    Schließlich suchte sie sich das Gewand einer Dienerin, wusch
sich am Brunnen im Hof notdürftig das Blut ab und zog das Kleid über. Dann
schlich sie sich vorsichtig durch die Hintertür und rannte davon, auf gut
Glück, sich immer im Schatten haltend.
    In einem entlegenen Vorratsraum zwängte sie sich zwischen
zwei Regale und rollte sich zusammen. Sie wusste, es hatte keinen Sinn, mitten
in der Nacht nach Faiduma und Mannuja zu suchen. Doch der Schlaf wollte nicht
kommen. So starrte sie mit leeren Augen in die Dunkelheit, während Erinnerungen
in ihr aufstiegen, Erinnerungen an zwei andere Nächte des Grauens. Es war
wieder wie damals. Auch jetzt war sie dem Blutvergießen nur knapp entronnen,
nur dass diesmal weder Frataguna noch ihre Mutter bei ihr waren und auch sonst
kein Mensch. In ihrem ganzen Leben war sie noch nie so allein gewesen. Selbst
die Götter hatten sie verlassen.

21
    „Du hast damals recht gehabt.“
    Paruschjati schreckte aus dem bleiernen Halbschlaf auf, in
den sie gegen ihren Willen gefallen war.
    „Damals in Tyros.“ Damaspias fein geschnittenes Gesicht war
eingesunken, die farblose Haut spannte sich straff über Nase, Wangenknochen und
Kinn. Ihr Atem war flach, die Stimme kaum zu hören. „Damals habe ich es nicht
verstanden, aber heute weiß ich, dass es richtig war.“
    Die friedlichen Jahre, die sie in Susa verbracht

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