Die Perserinnen - Babylon 323
Bootsleute das Segel. Der Wind stand
günstig, er blies genau nach Norden.
Paruschjatis Herz fühlte sich immer noch schwer wie ein
Ziegelstein an, als sie mit Farnakia und Artaschura zu ihren Gemächern
zurückschlich. Immer noch war sie nicht sicher, die richtige Entscheidung
getroffen zu haben, doch nun war sie auf jeden Fall unwiderruflich. Barsine war
fort, und Paruschjati fühlte sich verlassen und leer.
Sie gelangten zu der schmalen Hintertür, die vom Korridor in
die Küche führte. Leise klopfte Farnakia dagegen. Keine Reaktion. Der Eunuch
versuchte es noch einmal, diesmal etwas lauter. Niemand kam, um aufzuschließen,
niemand zog den Riegel zurück. Farnakia unterdrückte einen Fluch, dann pochte
er kräftiger gegen die Tür. Sie gab nach. Einen Augenblick stand Farnakia wie
erstarrt, dann packte er Paruschjati am Arm und zerrte sie von der Tür fort.
Auch Paruschjati reagierte sofort, von Kindheit an war es ihr in Fleisch und
Blut übergegangen. Sie flüchtete mit Farnakia durch den Gang, gefolgt von
Artaschura.
Eine Tür, die in eine Abstellkammer führte. Sie schlüpften
hinein.
„Die Hintertür“, wisperte Farnakia außer Atem, vom Laufen,
aber auch vor Schreck. „Sie war nicht verschlossen.“
„Bestimmt hat der Türwächter vergessen, hinter uns wieder
abzuschließen“, flüsterte Artaschura.
Farnakia schüttelte den Kopf. „Unmöglich, ein solcher Fehler
würde Petisaka niemals unterlaufen. Schon gar nicht jetzt.“
Auf Artaschuras Stirn hatten sich Schweißtropfen gebildet,
sie glitzerten im Licht seiner Lampe. „Ich gehe und sehe nach, ob alles in
Ordnung ist.“
Er huschte zur Tür hinaus. Paruschjati blieb mit Farnakia
zurück und wartete. Petisaka, überlegte sie, war ein alter, schon in Damaspias
Diensten ergrauter Eunuch. Und ein Muster an Zuverlässigkeit – genau deshalb
hatte er seinen Posten erhalten. Andererseits, niemand war über Fehler erhaben.
Vielleicht, versuchte Paruschjati sich Mut zu machen, lag Artaschura richtig.
Doch der junge Eunuch hatte selbst besorgt gewirkt. Seit er mitten in der Nacht
aus dem Schlaf gerissen worden war, um Paruschjati zu begleiten, hatte er einen
nervösen und verwirrten Eindruck gemacht. Paruschjati erinnerte sich, wie er
sie am Landesteg nicht aus den Augen gelassen hatte. Ihre Gedanken wanderten zu
Barsine. Ihr Schiff musste das Stadtgebiet inzwischen hinter sich gelassen
haben. Hoffentlich war sie in Sicherheit …
„Alles in Ordnung“, flüsterte Artaschura, als er zurückkam.
„Petisaka hat tatsächlich vergessen, abzuschließen und den Riegel vorzulegen.
Es ist ihm furchtbar peinlich.“
Erleichterung traf Paruschjati wie ein Hitzeschwall, wenn
man im Winter einen beheizten Raum betritt. Sie atmete durch. Mit Farnakia
folgte sie Artaschura auf den Gang und zurück zu ihren Gemächern. Sie bewegten
sich mit äußerster Vorsicht, der Schreck steckte ihnen in den Gliedern. Sie
waren fast bei der Tür angelangt, als Farnakia plötzlich sagte: „Warum hat
Petisaka eigentlich nicht die Tür aufgemacht, als ich geklopft habe?“
Abrupt blieb Paruschjati stehen. In ihrer Angst und Verwirrung
war sie nicht auf das Naheliegende gekommen: Warum hatte Petisaka nicht
geöffnet? Warum hatte er überhaupt nicht reagiert, wie es doch seine Pflicht
war, wenn sich jemand mitten in der Nacht an der Hintertür zu schaffen machte?
„Er war eingeschlafen.“ Artaschura blieb ebenfalls stehen,
nur ein paar Schritte von der Tür entfernt.
„Farnakia hat laut geklopft“, sagte Paruschjati. „Petisaka
hätte ihn hören müssen.“
Nach kurzem Zögern erwiderte Artaschura: „Er war betrunken.“
Betrunken? Petisaka?
„Ich konnte den Wein riechen.“ Artaschura wirkte verlegen,
zeigte das schüchterne, jungenhafte Lächeln, das für ihn so charakteristisch
war. „Er hat in letzter Zeit öfter zu viel getrunken. Aber nie im Dienst! Ich
wollte ihn nicht bloßstellen, er war immer so freundlich zu mir.“
So war es bei den Eunuchen – sie bildeten eine verschworene
Gemeinschaft, bis auf die, die sich von allen abwandten und niemandem mehr
vertrauten. Artaschura war schon immer ein gutmütiger Kerl gewesen. Er stieß
die Tür auf und hob seine Lampe. „Ich gehe voran.“
„Unglaubliche Pflichtvergessenheit!“, schimpfte Farnakia,
als Artaschura über die Schwelle trat und Paruschjati ihm folgte. Er schloss
die Tür hinter ihnen. „Ausgerechnet Petisaka! Man muss ein ernstes …“
Farnakias Stimme ging in ein würgendes Geräusch über,
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