Die Perserinnen - Babylon 323
betreten an, während ihr Gesicht
allmählich immer röter wurde. Sie warf ihrer Schwester einen Hilfe suchenden
Blick zu, doch die zeigte keine Reaktion. Seit dem Verlust ihrer Eltern schien
Drupati mit dem Leben abgeschlossen zu haben. Sie hatte sich immer weiter
zurückgezogen, bis sie kaum noch vorhanden zu sein schien.
„In Ordnung“, sagte Statira schließlich.
Paruschjati setzte sich wieder, und auch Raukschana kam von
der Tür zurück und nahm Platz. Der ganze Auftritt war ungeheuer kindisch
gewesen, fand Paruschjati, aber wenn es die Königinmutter eines Tages einmal
nicht mehr geben sollte, dann würde die Situation bald unerträglich werden,
wenn niemand Statira ihre Grenzen zeigte.
„Nachdem diese Frage also geklärt ist: Worum geht es?“,
fragte Barsine.
Statiras Gesicht war immer noch rot, aber ansonsten schien
sie ihre Fassung überraschend schnell wiederzugewinnen. „Ich habe eine
Ankündigung zu machen. Eine Ankündigung, die von großer Bedeutung für unser
aller Zukunft ist.“ Sie machte eine bedeutungsschwangere Pause. „Anahita hat
mich gesegnet: Ich erwarte ein Kind.“
Einen Augenblick lang herrschte überraschte Stille. Dann
sagte Barsine: „Wie schön für dich. Wir danken dir für diese äußerst wichtige
Mitteilung und wünschen dir viel Glück. Mögen die Götter dir eine
Schwangerschaft ohne Probleme vergönnen sowie eine leichte Geburt. Gibt es
sonst noch etwas, was du uns sagen willst? Nein? Dann, wie gesagt …“
Diesmal war es Barsine, die Anstalten machte aufzustehen,
als Raukschana plötzlich sagte: „Wie praktisch.“ Ihre Stimme war leise und ohne
Nachdruck gewesen, und doch wandten sich sofort die Augen aller Anwesenden der
Sprecherin zu.
Irritiert fragte Statira: „Wie meinst du das?“
„Nun, das kommt doch alles sehr gelegen.“ Raukschana beehrte
Statira mit einem spöttischen Lächeln. „Seit Tagen schwirren Gerüchte durch den
Palast, dass der König krank ist. Alle fragen sich, was passiert, wenn er
sterben sollte. Und ganz plötzlich stellst du angeblich fest, dass du schwanger
bist.“
„Was willst du damit unterstellen?“
Statt einer Antwort ließ Raukschana ihren Blick vielsagend
über Statiras Gestalt wandern, und unwillkürlich folgten ihr die Blicke der
anderen Frauen. Im Sitzen konnte man nicht viel erkennen, doch Statira war
schon immer sehr schlank gewesen. Nichts an ihr wies darauf hin, dass sie
schwanger sein könnte. Vielleicht war es dazu noch zu früh, überlegte
Paruschjati, doch andererseits hatte Raukschana durchaus recht: Die Sache kam
tatsächlich verdächtig gelegen.
Statira schien die Gedanken der anderen zu erraten. „Ich
weiß es bereits seit einiger Zeit, habe aber mit der Bekanntgabe gewartet, bis
es keinen Zweifel mehr gebe konnte. Bald werden alle sehen können, dass ich die
Wahrheit spreche! Und ich bete zu Ahura Mazda und Anahita, dass es ein Sohn
wird – ein Abkömmling des Hachamanisch und zugleich der rechtmäßige Erbe des
Königs!“
„Vergisst du da nicht etwas?“ Raukschanas Stimme vibrierte
gefährlich. Wieder legte sie die Hand auf ihren Bauch. „Ich erwarte ein Kind,
und anders als bei dir kann man es deutlich erkennen. Selbst wenn du wirklich
schwanger wärest, würde mein Sohn älter sein als deiner.“
„Und wenn schon!“, erklärte Statira herablassend. „Er wäre
niemals ein Konkurrent für meinen Sohn, den Enkel des Großkönigs.“
„Nicht, dass deine Herkunft nicht respektabel wäre“, mischte
sich zum ersten Mal Drupati ein. „Deine Familie ist im Osten sehr angesehen.
Doch soweit ich weiß, bist du nicht von königlicher Herkunft, oder?“
Raukschana schnaubte verächtlich. „Nein, das bin ich nicht.“
Ihr Vater Okschiarta war ein unbedeutender baktrischer Adliger, der den
Eindringlingen zusammen mit vielen seiner Landsleute in den östlichen Satrapien
erbitterten Widerstand geleistet hatte. „Und was ist mit euch beiden? Als ob
ihr königlicher Herkunft wärt! Euer Vater war ein unbedeutender Kschatrapavan,
der von einem mordgierigen Eunuchen auf den Thron gesetzt wurde, nachdem er
alle legitimen Thronerben ausgerottet hatte!“
Statira sprang auf. „Mein Vater stammte aus dem Haus des
Hachamanisch! Er war ein Urenkel des Großkönigs Darajavahusch …“
„Wer weiß, ob das stimmt und nicht nur Erfindung ist!“,
höhnte Raukschana. „Sicher dagegen ist, dass dein Vater zweimal vor dem Feind
davongelaufen ist. Meiner dagegen hat tapfer und ehrenhaft gegen ihn
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