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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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hatte. Sie hatte ihren Sohn in seinem einsamen Grab am
Ufer des Indus zurücklassen müssen.
    Ohne ein Wort drehte Raukschana sich um und ging zur Tür.
Ehe sie hinausging, wandte sie sich ein letztes Mal um und ließ ihren Blick
über die Anwesenden schweifen. Zuvor war sie wütend und aufgebracht gewesen,
sogar gemein, doch nun lag offener Hass in ihren Augen. Hass – aber ebenso
eiskalte Berechnung.
    Plötzlich dämmerte es Paruschjati, dass sie gerade einen
großen Fehler gemacht hatte. Statira war lediglich anmaßend und beleidigend,
doch Raukschana traute sie zu, dass sie wirklich gefährlich werden konnte.
    Es war schon spät, als Paruschjati in ihre Gemächer
zurückkehrte. Es war ein furchtbarer Abend gewesen. Sie war wütend auf sich
selbst, dass sie sich in den Streit zwischen Statira und Raukschana
hineinziehen lassen hatte. In ihrem Kopf pochte es so heftig, dass sie dachte,
er müsse jeden Augenblick in tausend Stücke zerspringen, und sie hatte nur den
einen Wunsch, sich hinzulegen, die Augen zuzumachen und an nichts zu denken.
Sie erschrak sich fast zu Tode, als im Dämmerlicht des schlecht erleuchteten
Ganges plötzlich eine vermummte Gestalt vor ihr stand. Die Eunuchen, die
Paruschjati eskortierten, zückten ihre Dolche.
    Die Gestalt zog den Schleier von ihrem Gesicht zurück. Es
war Gambija. „Es tut mir leid, dass ich dich so spät noch störe, aber ich muss
dich unbedingt sprechen.“
    „Du störst nicht im Geringsten“, log Paruschjati, als sie
sich von dem Schrecken erholt hatte. „Warum stehst du hier draußen auf dem
Gang?“
    „Es ist vertraulich“, sagte Gambija und hüllte sich wieder
bis zur Nasenspitze in ihren Schleier. Er bestand aus schwerem, dunklen Stoff
und verwandelte sie in einen formlosen Schatten, der das spärliche Licht zu
verschlucken schien. Sie hatte sich heimlich bei Nacht hergeschlichen, nur
begleitet von einem Eunuchen und einer ebenfalls vermummten Dienerin, die
hinter ihr in der Dunkelheit standen. Womöglich hatte sie schon seit Stunden
gewartet.
    „Lass uns hineingehen“, sagte Paruschjati.
    Sie führte Gambija in einen Empfangsraum, wo zwei
Dienerinnen in aller Eile die Lampen anzündeten. Paruschjati schickte sie fort
und ließ die Tür schließen.
    „Atalante darf nicht wissen, dass ich hier bin“, sagte
Gambija unnötigerweise, als sie sich setzte. „Ich bin froh, dass du ihr nichts
gesagt hast. Ich meine, von deiner Schwangerschaft.“
    „Was ich ihr gesagt habe, war …“
    Gambija hob die Hand. „Ich will es gar nicht wissen! Je
weniger ich weiß, umso besser, denn dann kann Atalante auch nichts aus mir
herausquetschen. Ich bin gekommen, um dich vor ihr zu warnen. Vertraue ihr
nicht! Ich glaube nicht, dass Perdikkas auf deiner Seite steht. Oder dass er
und Atalante dir gegenüber verwandtschaftliche Gefühle hegen. Das tun sie nicht
einmal bei mir, und ich bin Perdikkas’ Frau! Atalante meint es nicht ehrlich.
Sie wollte dich nur aushorchen.“
    „Das Gefühl hatte ich auch, aber ich komme nicht dahinter,
warum. Wieso interessiert sich Perdikkas plötzlich so brennend dafür, ob ich
schwanger bin?“
    „Das weiß ich nicht. Die beiden sagen mir nie etwas. Aber
ich bekomme mehr mit, als sie denken. Ich weiß zum Beispiel, dass sie gerade
jetzt etwas verheimlichen. Und warum Atalante gerade heute zu dir gekommen ist.
Heute war die letzte Gelegenheit dafür, denn morgen wird alles anders sein.“
    „Was meinst du? Was wird morgen anders sein?“
    „Den ganzen Tag über sind Leute in unserem Haus in der Stadt
ein und aus gegangen – Offiziere, Verwaltungsleute, Würdenträger.“ Nervös
knetete sie den Stoff ihres Schleiers zwischen den Händen. „Ich lese in ihren
Gesichtern, wenn sie kommen oder gehen, und was ich dort sehe, macht mir Angst.
Sie sehen aus wie Leute, die etwas zu verbergen haben.“
    „Gambija …“ Paruschjati beugte sich vor, nahm die Hand ihrer
Nichte und versuchte ihren verstörten Blick einzufangen. „Wovon redest du? Was
wird morgen passieren?“
    „Nichts“, sagte Gambija.
    „Nichts?“
    „Das ist es ja gerade – nichts wird morgen passieren! Morgen
früh, heißt es, soll die Armee nach Arabien aufbrechen. Aber warum ist
Perdikkas dann zu Hause und nicht draußen bei seinen Truppen? Oder im Palast
für letzte Instruktionen? Was haben all diese Leute in seinem Privatquartier zu
suchen? Für mich sieht es aus, als ob er Anhänger sammelt. Aber Anhänger
wofür?“ Gambijas Augen wirkten im schwachen Licht der

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