Die Perserinnen - Babylon 323
erscheinen würde,
der noch schöner, noch reicher und noch mächtiger war als alle anderen. Dann
würde die Hochzeit mit unvorstellbarem Glanz gefeiert werden.
Bei einer dieser Gelegenheiten sagte Paruschjati: „Der Mann,
den ich einmal heirate, muss weder schön noch reich sein und auch nicht
besonders mächtig.“ Nur gerade so viel, fügte sie ihm Stillen hinzu, dass
er mich beschützen kann. Aber nicht so mächtig, dass er deswegen umgebracht
wird. „Er muss ein guter Mensch sein und außerdem tapfer und mutig.“
„Heiraten?“, fragte Statira verblüfft. „Du?“
„Selbstverständlich. Was hast du denn gedacht?“
„Aber du bist doch keine Tochter des Großkönigs.“
„Oder seine Nichte“, warf Amaschtri ein.
„Glaubt ihr, nur die Töchter und Nichten von Großkönigen
heiraten, oder wie?“
„Natürlich nicht.“ Amaschtri war eine winzige Spur weniger
eitel und oberflächlich als ihre Cousine und verfügte im Gegensatz zu dieser sogar
über Verstand, wenn sie auch selten Gebrauch von ihm machte. „Aber wir reden
hier nicht über gewöhnliche Hochzeiten, sondern über glanzvolle Ereignisse von
dynastischer Bedeutung. Statira und ich gehören zur Familie des Großkönigs. Wir
werden einmal Könige heiraten!“
„Ach, und welche Könige sollen das sein? Statiras Bruder
vielleicht?“ Der kleine Vahauka fegte gerade mit einem Wurf Hundewelpen auf
allen vieren durch den Garten und wirkte ganz und gar nicht wie ein
eindrucksvoller Heiratskandidat.
„Warum nicht?“, erwiderte Statira nichtsdestotrotz. „Könige
heiraten oft ihre Schwestern.“
„Ihre Halb schwestern, so wie dein Vater deine
Mutter.“ Inzwischen hatte Paruschjati längst herausgefunden, dass die Gemahlin
des Großkönigs tatsächlich nicht Sissingambris Tochter war, sondern die einer
jüngeren Nebenfrau. „Wenn dein Bruder der nächste Großkönig wird, musst du dir
einen anderen König zum Heiraten suchen. Wahrscheinlich wirst du nur
irgendeinen unbedeutenden Kleinkönig vom Rand der Welt abkriegen. Oder einen
Kschatrapavan.“
Statira wurde rot vor Ärger, als ihre Zukunftsaussichten so
schnöde ihres Glanzes beraubt wurden. „Und wenn schon! Dich dagegen wird
überhaupt niemand heiraten wollen, dazu bist du nicht hübsch genug. Deine Nase
ist zu groß.“
„Ich habe die gleiche Nase wie du“, erwiderte Paruschjati.
(Man konnte sagen, es handelte sich um eine Familiennase.) „Deine ist genauso
groß wie meine.“
„Meine Nase ist nicht groß, sie ist aristokratisch. Deine
dagegen ist einfach nur groß.“
Paruschjati atmete tief durch. Es hatte ihr nichts
ausgemacht, dass ihre Stellung am Hof sich nach Areschas Tod verschlechtert
hatte. Sie war am Leben, und das zählte. Aber sich deshalb dauernd von Statira
beleidigen lassen? Paruschjati holte zum Gegenschlag aus. „Du vergisst, dass
ich ebenfalls die Tochter eines Großkönigs bin! Ich bin sogar als Tochter eines
Großkönigs geboren worden, du dagegen nur als die Tochter eines Kschatrapavan!
Bei mir würden die Bewerber sogar Schlange stehen, wenn ich aussehen würde wie
du!“
Damit drehte sie sich um und stolzierte davon. Statira
redete daraufhin einen Monat lang kein Wort mehr mit ihr und Amaschtri
ebenfalls nicht.
Das „intime Zusammentreffen“ war sogar noch intimer, als
Paruschjati erwartet hatte. Genau genommen waren nur drei Gäste eingeladen: sie
selbst sowie Barsine und Raukschana, wenn man einmal von Drupati absah, die wie
üblich wie ein Schatten an der Seite ihrer Schwester klebte. Während das Essen
aufgetragen und der Wein ausgeschenkt wurde, fragte sich Paruschjati, was das
alles zu bedeuten hatte. Eine Gruppe von Musikantinnen spielte im Hintergrund
und sorgte für eine angenehme Atmosphäre. Das war auch dringend nötig, denn die
Unterhaltung zwischen den Frauen wollte nicht richtig in Fluss kommen.
„Was macht deine Schwangerschaft?“, wandte sich Barsine an
Raukschana.
„Danke der Nachfrage, alles bestens.“ Raukschana tätschelte
ihren Bauch, der seit ihrer letzten Begegnung womöglich noch dicker geworden
war.
Da niemand Anstalten machte, das Thema zu vertiefen,
unternahm Paruschjati den nächsten Anlauf. „Wie geht es deinem Sohn?“, fragte
sie Barsine, obwohl sie den kleinen Herakles erst am Tag zuvor gesehen hatte.
Wenn er in der Zwischenzeit nicht einer galoppierenden Krankheit oder einem
tragischen Unfall zum Opfer gefallen war, musste es ihm nach menschlichem
Ermessen gut gehen.
„Er wächst und gedeiht“,
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