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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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Maßnahmen können nur bei denen ergriffen werden, deren Krankheit oder Ansteckung offensichtlich ist; während doch zur gleichen Zeit Tausende von Menschen unter den andern sind, die zwar gesund aussehen, aber trotzdem alldieweil für alle, mit denen sie zusammenkommen, den Tod mitbringen.
    Dies machte unseren Ärzten häufig Kopfzerbrechen und besonders auch den Apothekern und den Wundärzten, weil sie nicht wußten, wie sie zwischen gesund und krank unterscheiden sollten; sie alle gaben zu, daß es tatsächlich so war, daß viele Leute die Pest schon im Blut hatten, daß sie bereits an ihren Lebensgeistern zehrte und daß sie selber eigentlich wandelnde verfaulte Leichname waren, deren Atem Anstek-kung und deren Schweiß Gift bedeutete, daß sie aber trotzdem so gesund anzuschauen waren wie andere und selbst nicht einmal etwas ahnten; ich sage, sie alle gaben zu, daß dies tatsächlich zutraf, aber sie wußten nicht, wie sie zu einer Diagnose kommen sollten.
    Mein Freund Dr. Heath war der Meinung, man könne es am Geruch ihres Atems erkennen; jedoch wer, so sagte er, wird es wagen, an diesem Atem zu riechen, nur um sich zu vergewissern? Muß er doch dafür den Gestank der Pest in sein eigenes Gehirn hinaufziehen, um an dem Geruch die Unterscheidung zu treffen! Ich habe gehört, nach der Meinung anderer könne man es erkennen, indem man den Betreffenden auf ein Stück Glas hauchen lasse; in dem Niederschlag des Atems könne 258

    man dann durch ein Mikroskop lebende Wesen sehen, von wunderlicher, ungeheuerlicher und abschreckender Gestalt, wie Drachen, Schlangen, Ottern und schrecklich anzuschauende Teufel. Aber hier möchte ich doch die Wahrheit in Frage stellen, und wie ich mich erinnere, hatten wir zu jener Zeit auch gar keine Mikroskope, mit denen wir das Experiment hätten machen können.
    Wieder ein anderer Gelehrter vertrat die Ansicht, der Atem einer solchen Person würde auf der Stelle einen Vogel vergif-ten und töten; und zwar nicht nur einen kleinen Vogel, sondern auch einen Hahn oder eine Henne, und wenn er eines dieser Tiere nicht gleich töte, so würde doch an ihnen die sogenannte Hühnerdarre hervorgerufen werden; insbesondere würden alle Eier, die ein Huhn dann noch lege, faul sein. Dies sind jedoch Ansichten, die ich niemals durch Experimente erhärtet sah oder für die ich die Bestätigung von Zeugen gehört hätte; so gebe ich sie weiter, wie ich sie vorgefunden habe, nur mit dieser Bemerkung noch, daß ich nämlich glaube, die Wahrscheinlich-keiten sprechen sehr für sie.
    Einige haben vorgeschlagen, solche Personen sollten stark auf warmes Wasser hauchen, und dann würde sich ungewöhnlicher Schaum bilden, oder auf verschiedene andere Materien, besonders solche von klebriger Substanz, bei denen sich leicht Schaum bildet und bestehen bleibt.
    Aber im großen ganzen, fand ich, war diese Seuche solcher-art, daß es unmöglich war, die Ansteckung zu entdecken oder ihre Übertragung von einem auf den andern durch irgendeine menschliche Kunst zu verhindern.
    Hier ist in der Tat ein schwieriger Punkt, über den ich bis heute nicht ganz hinweggekommen bin, und meines Wissens gibt es überhaupt nur eine einzige Antwort darauf, nämlich diese: Der erste Pestkranke war etwa am 20. Dezember 1664
    gestorben und zwar am Long Acre oder dort herum; es hieß, daß dieser erste sich die Ansteckung von einem Paket Seide 259

    geholt hatte, das von Holland herübergekommen und in jenem Haus geöffnet worden war.
    Aber danach hörten wir nichts mehr davon, daß jemand an der Pest gestorben sei oder daß an jenem Ort die Pest herrsche; erst am 9. Februar – das war ungefähr sieben Wochen später – wurde noch einer aus dem gleichen Hause beerdigt. Die Sache wurde dann aber vertuscht, und lange Zeit waren wir, wenigstens nach außen hin, vollkommen beruhigt; denn es erschien ja auf dem wöchentlichen Register niemand mehr als an der Pest gestorben, bis dann am 22. April wieder zwei Personen, nicht aus demselben Haus, aber aus derselben Straße, beerdigt wurden; und soweit ich mich erinnern kann, waren sie aus dem Haus, das dem ersten benachbart war. Dies war nach einem Zwischenraum von neun Wochen geschehen, und danach hatten wir wieder für zwei Wochen Ruhe, und dann brach es in mehreren Straßen aus und breitete sich nach allen Seiten hin aus. Die Frage scheint nun also zu lauten: Wo blieben diese ganze Zeit über die Keime der Infektion? Wie kam es, daß sie so lange innehielt und nicht länger? Entweder die

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