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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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engem Raum zusammengedrängt lebte, so wie in kleineren Städten wie Dublin oder Amsterdam oder ähnlichen.
    Zwar sind bei dieser letzten Pest Hunderte, ja Tausende von Familien hinausgeflohen, aber leider taten es viele zu spät und starben nicht nur auf der Flucht, sondern schleppten die Seuche mit sich in die Lande, in die sie kamen, und infizierten diejenigen, bei denen sie Sicherheit gesucht hatten. Das machte alles wieder zuschanden, weil gerade das, was das beste Mittel 253

    gewesen wäre, der Pest entgegenzuwirken, zum Werkzeug ihrer Verbreitung wurde. Das ist wieder ein Beweis dafür und bringt mich auf das zurück, was ich vorher nur kurz andeuten konnte, aber jetzt hier mit mehr Ausführlichkeit behandeln muß, nämlich daß manch einer noch viele Tage, nachdem er das Gift der Krankheit in sich hatte und seine Lebensgeister so ergriffen waren, daß es kein Davonkommen mehr gab, doch noch dem Augenschein nach gesund umherging und, alldieweil er das tat, andere in Gefahr brachte; ich sage, das oben Berichtete ist wieder ein Beweis dafür; denn solche Leute infizierten jede Ortschaft, durch die sie kamen, und ebenso die Häuser, in die sie aufgenommen wurden. Auf diese Art geschah es, daß beinahe alle die großen Städte Englands, die eine mehr, die andere weniger, von der Pest heimgesucht wurden, und immer pflegten sie dort einem zu erzählen, dieser oder jener Londoner habe sie ihnen herübergebracht.
    Es darf nicht, wenn von diesen wirklich gefahrbringenden Menschen die Rede ist, übergangen werden, daß sie, meiner Meinung nach, vollständig im Unwissen über ihren Zustand waren; denn wenn sie tatsächlich gewußt hätten, wie es um sie stand, dann hätten sie rechte vorbedachte Mörder sein müssen, um noch weiter draußen unter gesunden Menschen umherzugehen, und es hätte dann allerdings jenen Vorwurf bestätigt, von dem ich vorher gesprochen habe und von dem ich glaubte, daß er nicht berechtigt sei, nämlich daß die Befallenen im äußersten Grade unvorsichtig seien, was die Ansteckung anderer betraf, und eher darauf aus, es dazu kommen zu lassen als nicht; und ich glaube, daß gerade der genannte Umstand es war, der diesen Vorwurf aufkommen ließ, von dem ich immer noch hoffen möchte, daß er in Wirklichkeit nicht den Tatsachen entsprach.
    Ich will nicht bestreiten, daß kein Einzelfall ausreicht, um eine so allgemeine Behauptung zu rechtfertigen, aber ich könnte eine Reihe von Leuten benennen, und sie sind heute 254

    noch lebenden Nachbarn oder Familienmitgliedern bekannt, die das Gegenteil bis zum Extrem bewiesen haben.
    Ein Mann, ein Familienvater in meiner Nachbarschaft, hatte die Pest; er glaubte, er habe sie von einem armen Arbeiter, der bei ihm eingestellt war, bekommen, denn er hatte ihn in dessen Hause aufgesucht, irgendeiner Arbeit wegen, die er zu Ende geführt haben wollte; schon als er an der Tür des Arbeiters stand, hatte ihn eine Befürchtung beschlichen, aber er war nicht sicher gewesen; erst am nächsten Tage zeigte es sich, und die Krankheit packte ihn arg; worauf er sich sofort in ein Neben-gebäude tragen ließ, das er auf seinem Hofe hatte und wo es über einer Werkstatt – der Mann war ein Kupferschmied – eine Kammer gab.
    Dort lag er, und dort starb er, und er wollte sich von keinem seiner Nachbarn pflegen lassen, sondern von einer auswärtigen Krankenschwester; und er erlaubte weder seiner Frau noch seinen Kindern noch seiner Dienerschaft, zu ihm hinauf in das Zimmer zu kommen, damit sie sich nicht ansteckten, sondern er sandte ihnen durch die Krankenschwester seinen Segen und ließ sie ihnen über eine Entfernung seine Gebete für sie hersagen, und das alles aus Besorgnis, er könne die Pest auf sie übertragen; so aber, wußte er, konnte ihnen, solange sie ferngehalten wurden, nichts geschehen.
    Und hier muß ich noch bemerken, daß die Pest – und ich nehme an, alle Seuchen tun es – je nach Körperkonstitution verschieden wirkte; manche waren auf der Stelle von ihr übermannt, und es kam zu heftigem Fieber, Erbrechen, unerträglichem Kopfweh, Schmerzen im Rücken, bis dann der Patient vor Qualen tobte und raste; andere bekamen Schwellungen und Geschwüre im Nacken oder an den Lenden oder in den Achselhöhlen, die, solange sie nicht zum Aufgehen gebracht werden konnten, ihnen unerträgliche Schmerzen und Martern bereiteten; wieder andere hingegen wurden, wie ich es geschildert habe, lautlos befallen, das Fieber zehrte an ihren 255

    Lebensgeistern im

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