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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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seuchever-dächtigen Orten in einen Hafen kommen, die Quarantäne?
    Vierzig Tage sind, sollte man meinen, zu lange für die Natur, um mit einem Feind wie diesem zu ringen, ohne entweder gesiegt oder sich ergeben zu haben. Aber ich könnte mir nach allem, was ich selbst beobachtet habe, auch nicht denken, daß einer länger als fünfzehn oder zum höchsten sechzehn Tage infiziert ist und immer noch auf andere ansteckend wirkt; auf Grund dieser Überlegungen geschah es auch, daß man in der City, wenn ein Haus gesperrt worden und jemand darin an der Pest gestorben war, nach sechzehn oder achtzehn Tagen jedoch sonst niemand in der Familie ein Zeichen von Erkrankung gab, nicht mehr weiter streng war und nichts dagegen einwendete, daß sie im stillen das Haus verließen; auch pflegte sich vor ihnen dann keiner mehr zu fürchten, sondern die Leute glaub-251

    ten eher, sie seien nun um so mehr gefeit, nachdem sie sich unverwundbar erwiesen hatten, wo der Feind in ihrem eigenen Haus gewesen war; manchmal freilich mußten wir feststellen, daß das Übel sich noch viel länger verborgen gehalten hatte.
    Aus allen diesen Beobachtungen kann ich nur eine Schluß-
    folgerung ziehen – mag auch die Vorsehung mein Verhalten anders gelenkt haben, so ist es doch meine Überzeugung, und die Nachwelt soll es sich so von mir verschreiben lassen: Die beste Medizin gegen die Pest ist, vor ihr davonzulaufen. Ich weiß, daß die Leute sich Mut einreden, indem sie sich sagen, Gott sei imstande, uns inmitten der Gefahr am Leben zu erhalten, und Er sei imstande, uns zu ereilen, wenn wir glauben, wir seien außer Gefahr; und das ließ Tausende in der Stadt zurückbleiben, deren Leichen dann wagenweise in die großen Gruben gingen und die, wenn sie vor der Gefahr geflohen wären, vor dem Unheil bewahrt worden wären; jedenfalls ist es wahrscheinlich, daß sie bewahrt worden wären.
    Und würden bei einer zukünftigen Gelegenheit dieser oder ähnlicher Art die Menschen nur diesen fundamentalen Grundsatz gehörig beherzigen, ich bin überzeugt, es würde sie zu ganz anderen Maßnahmen zur Sicherung der Bevölkerung führen, als man sie im Jahre 1665 ergriff und als sie sonst irgendwo ergriffen wurden und zu meiner Kenntnis gelangten. Kurz gesagt, sie würden darauf halten, daß die Menschen in kleinere Gruppen aufgeteilt würden und sich beizeiten weiter auseinander begä-
    ben, und so würden sie verhindern, daß eine ansteckende Seuche dieser Art, die doch in der Tat hauptsächlich für eng zusammen-lebende Gruppen von Menschen gefährlich ist, eine Million Menschen zu einer Körperschaft vereinigt vorfindet, wie es ungefähr damals der Fall war und wie es bestimmt wieder der Fall sein würde, wenn die Seuche jemals wieder auftreten sollte.
    Die Pest gleicht einem großen Feuer: Wo nur ein paar Häuser aneinanderstoßen, da kann es, wenn es ausbricht, auch nur ein paar Häuser niederbrennen; oder wenn es in einem alleinste-252

    henden Hause, etwa in einem Einzelgehöft, ausbricht, kann es nicht mehr als dieses einzelne Gebäude niederbrennen. Aber wenn es in einer dichtgebauten Ortschaft oder Stadt ausbricht und erst einmal richtig am Brennen ist, da steigert sich seine Wut immerfort, es rast durch den ganzen Ort und verzehrt alles, was es nur erreichen kann.
    Ich könnte viele Pläne vorlegen, in deren Befolgung die Be-hörden dieser Stadt, wenn sie wieder unter der Bedrohung eines solchen Feindes (Gott verhüte es!) stünden, sich des größten Teiles der zu ihr gehörigen gefährlichen Bevölkerung entledigen könnten; ich meine damit die bettelnden, hungerlei-denden, von der Hand in den Mund lebenden Armen, und unter ihnen besonders diejenigen, die man im Fall einer Belagerung die unnützen Mäuler nennt; wenn man diese, was nicht nur klug, sondern auch zu ihrem eigenen Vorteil wäre, hinausge-schafft hätte und wenn die wohlhabenden Leute sich selbst und ihre Kinder und Diener hinausbeförderten, dann wäre die Stadt tatsächlich in einem so entleerten Zustand, daß nicht mehr als ein Zehntel der Bevölkerung noch beisammen wäre, um der Seuche einen Angriffspunkt zu bieten. Aber angenommen, sie machten noch den fünften Teil aus, dann wären zweihundert-fünfzigtausend Menschen übrig, und wenn die Pest auf sie loskäme, wären sie dadurch, daß sie auf so großem Raum verteilt wohnten, viel besser in der Lage, sich gegen Anstek-kung zu schützen, und viel weniger ihren Wirkungen ausgesetzt, als wenn die gleiche Anzahl von Menschen auf

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