Die Pest zu London
wurden, dann konnten sie die Ansteckung mitbe-kommen und waren so gefährlich anzufassen wie ein Mann, der die Ansteckung hatte; und wenn deshalb ein englisches Schiff irgendwo in einem fremden Lande ankam und sie seine Ladung überhaupt an Land nahmen, ließen sie immer die Ballen öffnen und an eigens dafür bestimmten Plätzen lüften.
Aber was von London kam, durfte nicht in den Hafen einlaufen, noch viel weniger die Ladung löschen, ganz gleich, was man ihnen bot; diese Strenge übten sie besonders in Spanien und Italien gegen die Londoner. In der Türkei und den Inseln des Archipels, wie sie hießen, sowohl auf denen, die den Türken, wie denen, die den Venezianern gehörten, waren sie nicht ganz so streng. Zu Anfang fand man überhaupt keinen Widerstand; und vier Schiffe, die in der Themse für Italien geladen hatten, das heißt für Livorno und Neapel, fuhren, als sie dort keine Einfahrt bekamen, weiter nach der Türkei und durften dort ohne Schwierigkeit ihre Ladung löschen; nur daß sie an Ort und Stelle feststellten, daß manches von ihrer Ladung für den Verkauf in dem Lande nicht geeignet war; anderes war an Kaufleute in Livorno adressiert, und so hatten die Kapitäne der Schiffe kein Recht und keine Weisung, über die Ware anders zu verfügen; das hatte für die Handelsherren große Unzuträglichkeiten im Gefolge. Aber schließlich war das nur eine Unumgänglichkeit des Geschäftsweges, und die Kaufleute in Livorno und Neapel schickten, als man sie be-nachrichtigte, von sich aus andere Schiffe, um die Waren, die für ihre Häfen bestimmt waren, entgegenzunehmen und, was davon für die Märkte von Smyrna und Iskenderun ungeeignet war, wieder mitzunehmen.
Die Unzuträglichkeiten waren in Spanien und Portugal noch 272
größer, denn sie wollten dort unter keinen Umständen unseren Schiffen, besonders denen von London, gestatten, in ihre Häfen einzulaufen, geschweige denn Ladung abzusetzen. Es wurde erzählt, eines unserer Schiffe habe heimlich seine Waren ausgeladen, darunter einige Ballen englischen Tuchs, Baum-wolle, Unterzeug und ähnliche Sachen, da hätten die Spanier alles verbrennen lassen und die Männer, die das Anlandbringen besorgt hätten, mit dem Tode bestraft. Dies war teilweise, glaube ich, sogar wahr, obwohl ich es nicht mit Bestimmtheit behaupten will; aber es ist keineswegs unwahrscheinlich, da sie doch sahen, daß die Gefahr wirklich sehr ernst war, da die Pest in London so sehr wütete.
Ich hörte ebenfalls, die Pest sei von einigen unserer Schiffe in jene Länder eingeschleppt worden, und besonders in die Hafenstadt Faro, im Königreich Algarve, das dem König von Portugal gehörte, und dort seien einige Personen gestorben, aber das ist nicht bestätigt worden.
Doch obwohl die Spanier und Portugiesen sich so abweisend gegen uns verhielten, so ist es doch andererseits ganz sicher, daß, da die Pest sich ja, wie gesagt, zuerst ziemlich auf die Gegend um Westminster beschränkte, das Handelszentrum der Stadt, also die City und die Docks, bis mindestens Anfang Juli völlig gesund war, und die Schiffe auf dem Fluß bis Anfang August; denn bis zum ersten Juli waren in der ganzen City nur sieben Menschen gestorben, und nur sechzig innerhalb der Stadtfreiheit, und nur einer in all den Pfarren Stepney, Aldgate und Whitechapel, und nur zwei in den acht Pfarren von Southwark. Aber im Ausland unterschied man das nicht; die schlimme Nachricht war einmal durch die ganze Welt gegangen, daß die Stadt London von der Pest befallen sei, und da fragte niemand mehr, wie die Infektion voranschritt oder in welchem Stadtteil sie angefangen hatte und wie sie ihren Weg nahm.
Außerdem wuchs sie dann, als sie sich erst auszubreiten be-273
gann, so rasch an, und die Totenregisterzahlen sprangen so rasch in die Höhe, daß es keinen Sinn hatte, die Berichte abzuschwächen oder etwas zu unternehmen, daß die Menschen im Ausland dächten, es sei weniger schlimm als es war; aus dem, was auf den wöchentlichen Totenregistern stand, wußten sie genug; und daß es in der Woche zweitausend oder drei-oder viertausend Tote gab, das reichte aus, um die ganze handeltreibende Welt aufzuschrecken, und als es in der darauffolgenden Zeit auch in der City selbst so schrecklich herging, war man überall, sage ich, sehr auf der Hut vor uns.
Und man kann sicher sein, daß der Kunde von diesen Dingen, wenn sie weitergetragen wurde, unterwegs nichts verloren ging. Die Pest war schon an sich schlimm genug und die Drangsal
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