Die Pest zu London
Kolonien.
Die Städte Colchester, Yarmouth und Hull führten zum Beispiel von dieser Seite Englands nach Holland und nach Hamburg die Erzeugnisse ihres Hinterlandes aus, während monatelang der Handel mit London praktisch völlig ausfiel; ebenso nahmen die Städte Bristol und Exeter über den Hafen Ply-mouth einen ähnlichen Vorteil mit Spanien, den Kanarischen Inseln, Guinea und den Westindischen Inseln wahr und besonders mit Irland; aber da dann die Pest sich, nachdem sie in London im August und September ein solches Ausmaß angenommen hatte, nach allen Richtungen hin ausbreitete, wurden nach und nach alle oder die meisten dieser Städte und Ortschaften infiziert, und damit geriet der Handel sozusagen unter ein allgemeines Embargo oder kam zum völligen Erliegen, wie ich noch des weiteren erörtern werde, wenn ich auf den Binnen-276
handel zu sprechen komme.
Eines jedoch muß noch gesagt werden: Was die Schiffe, die von draußen heimkamen, angeht, und das waren gewiß nicht wenige, so waren manche schon eine beträchtliche Zeit in irgendwelchen Weltteilen unterwegs, oder sie hatten bei ihrer Ausfahrt noch nichts von einer Seuche gewußt, oder jedenfalls nicht von einer so fürchterlichen; diese kamen unbedenklich den Fluß heraufgefahren und lieferten ihre Ladung ab, wie es ihre Schuldigkeit war, ausgenommen nur in den beiden Monaten August und September; da lag dann das Hauptgewicht der Seuche, wenn ich so sagen darf, unterhalb von London Bridge, und niemand wagte für eine Weile, sich in Geschäften sehen zu lassen. Aber da dies nur wenige Wochen dauerte, gingen die heimkehrenden Schiffe, besonders solche, deren Ladung keine verderblichen Güter enthielt, kurz vor dem Pool vor Anker, oder soweit hinunter, wie das Süßwasser des Flusses reicht, etwa bis zur Mündung des Medway; in ihn waren mehrere hineingelaufen, und andere lagen am Nore oder auf der Hope unterhalb Gravesend. Bis Ende Oktober hatte sich eine sehr große Flotte heimkehrender Schiffe eingefunden, so wie man seit vielen Jahren nicht dergleichen gesehen hatte.
Zwei Handelszweige wurden auf dem Wasserwege die ganze Zeit der Pest hindurch weitergeführt, und zwar mit keiner oder kaum einer Unterbrechung, und das war ein Glück und ein Trost für die arme, bedrängte Bevölkerung der Stadt: Es waren der Küstenhandel mit Getreide und der Newcastle-Handel mit Kohle.
Der erste wurde vornehmlich von kleineren Schiffen wahr-genommen, die vom Hafen Hull aus und von anderen Orten am Humber große Ladungen Getreide aus Yorkshire und Lincolnshire in die Stadt brachten. Des weiteren wurde der Getrei-dehandel von Lynn in Norfolk und von Wells, Burnham und Yarmouth, alles Orte in der gleichen Grafschaft, betrieben; ein dritter Sektor lag um den Medway Fluß; Milton, Feversham, 277
Margate und Sandwich waren dort die Ausgangspunkte und auch alle anderen kleinen Hafenplätze an der Küste von Essex und Kent.
Es gab auch mit der Suffolk-Küste einen sehr regen Handels-verkehr in Getreide, Butter und Käse; diese Schiffe hielten den Warenzustrom aufrecht und ohne Unterbrechung kamen sie bis zu dem Marktplatz herauf, der heute noch unter dem Namen Bear Key bekannt ist, und dort lieferten sie ausreichende Mengen von Getreide an, als die Zufuhr auf dem Landweg zum Erliegen kam und die Bauersleute von vielen Dörfern her nicht mehr recht kommen mochten.
Dies war wieder zum großen Teil der klugen Amtsführung des Lordbürgermeisters zuzuschreiben, der es sich angelegen sein ließ, die Kapitäne und die Besatzungen der Schiffe vor Gefahr zu schützen, wenn sie heraufkamen, indem er veranlaß-
te, daß ihnen das Getreide auch außerhalb der Marktzeiten abgenommen wurde, wenn sie es wünschten (was sie indes sehr selten taten), und daß die Faktoreien die Getreideladungen ohne Verzug löschten und übernahmen, so daß die Besatzungen kaum Anlaß hatten, ihre Schiffe zu verlassen; das Geld wurde ihnen stets an Bord gebracht und in einen Eimer mit Essig getan, bevor es kassiert wurde.
Der andere Handelszweig befaßte sich mit Kohlelieferungen von Newcastle am Tyne, und ohne diese wäre die Stadt in arge Verlegenheit gekommen; denn nicht nur auf den Straßen, sondern auch in den Privathäusern wurden große Mengen Kohle gebrannt, auch während der ganzen Sommerzeit und als das Wetter am heißesten war, und das geschah auf Anraten der Ärzte. Einige zwar sprachen sich dagegen aus und ließen sich nicht davon abbringen, daß, die Häuser und Zimmer geheizt zu halten,
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