Die Pest zu London
Vorstellung wieder auf, daß die Ansteckung in der Luft liege und daß es so etwas wie eine Übertragung der Krankheit von den Kranken auf die Gesunden nicht gebe; und diese Flausen beherrschten die Leute so, daß gesund und krank, alles miteinander und durcheinander umherlief. Nicht einmal die Moslems, die, besessen von dem Glauben an die Vorherbestimmung, nichts von Krankheitsübertragung, sie bestehe, worin sie will, halten, hätten störrischer sein können als die Leute in London. Gesund, wie sie aus der heilsamen Landluft in die Stadt zurückkamen, machten sie sich nichts daraus, in die gleichen Häuser, die gleichen Stuben, ja die gleichen Betten zu gehen mit solchen, die mit der Krankheit behaftet und noch nicht wieder gesund geworden waren.
Einige mußten tatsächlich für ihr unbekümmertes Drauflos-handeln mit dem Leben bezahlen; eine unzählbare Menge wurde krank, und die Ärzte hatten mehr zu tun als je, mit dem einzigen Unterschied, daß die Patienten jetzt häufiger wieder gesundeten; das heißt, im allgemeinen gesundeten sie wohl, aber es gab mehr Leute, die der Ansteckung anheimfielen, jetzt wo nicht mehr als tausend oder zwölfhundert in der Woche starben, als vorher, wo es fünf- oder sechstausend Tote in der Woche gewesen waren, so unerhört nachlässig waren die Leute damals in der so folgenschweren Frage von Gesund- oder 292
Kranksein, und so wenig waren sie imstande, den Rat von Männern anzunehmen und zu befolgen, die ihnen, nur zu ihrem Besten, Vorsicht geboten.
Nachdem die Leute nun so ziemlich alle wieder zurückgekehrt waren, berührte es sehr seltsam, wenn Menschen auf der Suche nach ihren Freunden nicht einmal eine Erinnerung an sie mehr vorfanden, so vollständig waren ganze Familien dahingerafft worden, und es war dann auch niemand aufzutreiben, der einen Rechtsanspruch auf das wenige, was sie zurückgelassen hatten, hätte vorweisen können; in vielen Fällen war die Hin-terlassenschaft auch veruntreut und entwendet worden und hatte sich hierhin und dorthin verflüchtigt.
Es hieß, daß solche besitzlosen Güter an den König als den Universalerben fielen, und der König, so hieß es weiter, und ich glaube, es traf zum Teil auch zu, vermachte all solches Gut als »Gottesgabe« dem Lordbürgermeister und dem Stadtrat, damit es zum Nutzen der Armen verwendet werde, von denen es ja sehr viele gab. Es muß nämlich bemerkt werden, daß, obwohl die Anlässe zum Helfen und die dringenden Notstände während der Zeit des Wütens der Pest viel zahlreicher waren als jetzt, wo alles vorüber war, so doch die Armen jetzt viel mehr zu darben hatten als damals, weil die Schleusen der allgemeinen Wohltätigkeit sich jetzt wieder alle geschlossen hatten. Die Leute meinten, es bestehe jetzt kein Grund mehr und hielten mit dem Geben inne; während doch noch immer viel herzzerreißendes Elend da war und die Armen in der Tat großen Mangel litten.
Obwohl die Gesundheit der Stadt nun weitgehend wiederher-gestellt war, fing dennoch der Außenhandel sich noch nicht wieder zu rühren an, und die ausländischen Häfen weigerten sich noch eine ganze Weile, unsere Schiffe einfahren zu lassen.
Was die Holländer anging, so hatten im Jahre zuvor die Miß-
helligkeiten zwischen ihnen und unserem Hof zu einem Kriege geführt, so daß unser Handel dort eine vollständige Unterbre-293
chung erfuhr; aber auch Spanien und Portugal, Italien und die Berberei, ebenso Hamburg und die gesamten Ostseehäfen, sie alle verhielten sich eine ganze Zeit noch abweisend und wollten viele Monate lang den Handel nicht wieder aufnehmen.
Da die Pest so viele Menschen hinwegfegte, wie ich es berichtet habe, sahen sich viele, wenn nicht alle der Außenpfarren genötigt, neue Bestattungsplätze anzulegen (einen davon, den in Bunhill Fields, habe ich bereits erwähnt), und manche von ihnen blieben seitdem bestehen und sind in Gebrauch bis zum heutigen Tag. Aber andere wurden aufgegeben, und wenn man sie zu anderer Benutzung übernahm oder Bauten auf ihnen errichtete, dann – ich gestehe, ich spreche davon mit einigem Widerstreben – dann wurden die Toten in ihrer Ruhe gestört, roh wieder ausgegraben, manche gar bevor das Fleisch von den Knochen vergangen war, und wie Unrat oder Abfall anderswohin geschafft. Über einige der Plätze habe ich folgendes in Erfahrung gebracht:
1. Da war ein Stück Grund hinter der Goswell Straße, nicht weit vom Mount Hill, es war noch ein Überbleibsel der alten Befestigungsanlagen der Stadt,
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