Die Pest zu London
Familienvater verpflichtet gewesen, sobald jedenfalls einer seiner Hausbediensteten krank wurde, ihn sofort, so er einverstanden war (wie viele es waren), in das nächste Pesthaus zu schicken, und hätten die Gesundheitsinspektoren ein Gleiches mit den Armen getan, sobald einer von ihnen von der Seuche befallen wurde – ich sage, wäre das geschehen und zwar mit dem freien Willen (und nicht anders) der Betroffenen, und hätte man dafür 97
die Häuser nicht geschlossen, so bin ich überzeugt und bin immer der Meinung gewesen, daß nicht so viele Menschen, sondern einige tausend weniger gestorben wären; denn man hat die Beobachtung gemacht, und ich könnte aus dem Bereich meiner eigenen Kenntnis mehrere Beispiele dafür anführen, daß, wo ein Hausbediensteter krank geworden war und die Familie entweder Gelegenheit gehabt hatte, ihn hinauszuschaf-fen oder selbst aus dem Haus zu gehen und den Kranken, wie oben gesagt, zurückzulassen, daß dort alle am Leben blieben; während dort, wo beim Erkranken eines oder mehrerer Familienmitglieder das ganze Haus verschlossen worden war, die gesamte Familie zugrunde ging; und dann mußten die Totengräber hineingehen, um die Toten herauszuholen, und waren bald selber nicht mehr imstande, sie bis zur Tür zu schaffen, und schließlich war niemand mehr übrig, die Arbeit zu tun.
(3.) Dies stellte es für mich außer Frage, daß das Unheil sich durch Ansteckung verbreitete; das heißt, durch bestimmte Dämpfe oder Dünste, die die Ärzte Effluvia nennen; sie gehen vom Atem aus oder vom Schweiß oder von dem Wundgeruch der Kranken, oder sie haben einen anderen Ursprung, der vielleicht sogar das Verstehen der Ärzte übersteigt; diese Effluvia ziehen einen Gesunden, der sich einem Kranken auf eine bestimmte Entfernung nähert, in Mitleidenschaft, sie dringen sofort in das Lebenszentrum des besagten Gesunden ein, versetzen sein Blut sogleich in Gärung und rühren seine Geister auf, bis zu dem Grad der Erregung, in dem wir die Kranken fanden; und so teilt ein neu Angesteckter die Krankheit auf die gleiche Art wieder anderen mit. Und hierfür werde ich einige Beispiele anführen, die auf jeden, der sie ernstlich erwägt, nicht anders als überzeugend wirken können; und ich kann mich über solche Leute nur wundern, die jetzt, wo die Seuche vorüber ist, davon sprechen, sie sei ein Schlag, der unmittelbar vom Himmel komme, und ohne das Dazwischen-treten von Zweitursachen geschickt worden sei, diese oder jene 98
einzelne Person zu treffen und keine andere; ich kann dies nur mit Verachtung als das Ergebnis offenbarer Unwissenheit und Überspanntheit ansehen; ebenso die Meinung anderer, die davon sprechen, daß die Ansteckung durch die Luft allein weitergetragen werde, indem sie ungeheure Mengen von Insekten und unsichtbaren Geschöpfen mit sich führe, die mit dem Atem in den Körper gelangten oder sogar mit der Luft durch die Poren eindrängen, wo sie durch Zeugung oder Ausscheidung sehr stark wirkende Gifte hervorbrächten oder giftige Keime oder Eier, welche sich mit dem Blut vermischten und so den Körper infizierten; eine Erklärung voll von gelehrter Einfalt, wie die allgemeine Erfahrung auf das deutlichste zeigt; aber ich werde an gegebener Stelle noch mehr darüber sagen.
Ich muß hier erneut festhalten, daß nichts so folgenschwer für die Bewohner der Stadt war wie ihre eigene träge Nachlässigkeit, daß sie während der langen Vorankündigungs- und Warnzeit, die ihnen vor der Heimsuchung gegeben war, keine Vorkehrungen trafen, indem sie Vorräte von Lebensmitteln oder anderen Bedarfsgütern anlegten, was ihnen ermöglicht hätte, zurückgezogen in ihrem eigenen Hause zu leben, wie ich es von einigen berichtete, daß sie es taten, und die durch diese Vorsorge in weitem Maße bewahrt wurden; die Leute scheuten sich nicht einmal, nachdem sie erst ein wenig Gewöhnung hinter sich hatten, miteinander Umgang zu pflegen, wie sie es zu Anfang taten; nein, sie taten es, selbst wenn sie angesteckt waren und es wußten.
Ich gebe zu, ich war einer dieser Gedankenlosen, der so wenig vorgesorgt hatte, daß meine Hausgehilfen genötigt waren, jede Kleinigkeit um Pfennig und Groschen draußen einkaufen zu gehen, so wie es früher immer gewesen war; und auch als mich die Erfahrung lehrte, wie töricht das war, begann ich mit dem Klügerwerden so spät, daß ich kaum Zeit hatte, mich mit einem Monatsvorrat für unseren gemeinsamen Verbrauch 99
einzudecken.
Ich hatte in meiner
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