Die Pest zu London
genügend Zeit gehabt hatte, sich mit Lebensmittelvorräten einzudecken, sondern genötigt war, oft jemand ans Land zu schicken, um einzukaufen, oder Boote bei sich anlegen lassen mußte, die vom Ufer kamen. Und so wurde die Seuche zu ihnen eingeschleppt, ohne daß sie es merkten.
Und hier muß ich einmal die Feststellung treffen, daß eine merkwürdige Denkungsart der Londoner Bevölkerung zu der Zeit in äußerstem Grade zu ihrer eigenen Vernichtung beitrug.
Die Pest begann, wie ich es geschildert habe, am anderen Ende der Stadt, in Long Acre, Drury Lane etc. und bewegte sich nur sehr allmählich und langsam auf die innere Stadt zu. Sie machte sich zuerst im Dezember bemerkbar, dann wieder im Februar, dann wieder im April, und immer nur recht wenig auf einmal; dann hörte sie bis Mai ganz auf, und noch in der letzten Woche im Mai gab es nur siebzehn Fälle, und alle in jenem Teil der Stadt; und diese ganze Zeit über, ja sogar noch bis dann 3000 in der Woche starben, hatten in Redriff und in Wapping und in Ratcliff, auf beiden Ufern, und beinahe auf der ganzen Southwark-Seite die Leute die mächtige Einbildung, daß sie nicht heimgesucht werden würden oder daß es zumindest bei ihnen nicht so schlimm sein werde. Manche hatten die 145
Vorstellung, daß der Geruch von Pech und Teer und solcher anderen Stoffe wie Öl und Harz und Schwefelstein, die von allen im Schiffsbau tätigen Handwerksgewerben so viel gebraucht werden, sie bewahren werde. Andere führten als Beweis an, daß die Seuche, als sie in Westminster und St. Giles und St. Andrew aufs äußerste wütete, in ihrer Richtung gesehen wieder abnahm, und das war zum Teil auch wahr. Zum Beispiel:
Vom 8. bis 15. August:
Vom 15. bis 22. August:
St. Giles
242
St. Giles
175
Cripplegate
886
Cripplegate
847
Stepney
197
Stepney
273
St. Margaret,
St. Margaret,
Bermondsey
24
Bermondsey
36
Rotherhithe
3
Rotherhithe
2
1352
1333
N. B. – Es war zu beachten, daß die Fälle, die zu dieser Zeit für die Stepney Pfarre gezählt wurden, fast alle in jenem Teil der Pfarre waren, wo Stepney an Shoreditch angrenzt, und den wir heute Spitalfields nennen; die Stepney Pfarre kommt dort ganz dicht bis an die Kirchhofsmauer von Shoreditch heran; und die Pest, die zu der Zeit in St. Giles schon im Nachlassen war, wütete mit aller Heftigkeit in Cripplegate, Bishopsgate und Shoreditch; aber man hätte nicht zehn Todesfälle in der Woche in dem ganzen anderen Teil der Stepney Pfarre zählen können, die damals Limehouse, Ratcliff Highway und die heutigen Pfarren Shadwill und Wapping einschloß und sogar bis nach St. Catherine beim Tower reichte; und das blieb so, bis der ganze Monat August zu Ende ging. Aber später hatten sie dort dafür zu bezahlen, wie ich nach und nach noch berichten werde.
Dies, sage ich, gab den Leuten von Redriff und Wapping, 146
Ratcliff und Limehouse ein solches Gefühl der Sicherheit, und so sehr gaukelten sie sich vor, die Pest werde vorübergehen, ohne sie zu berühren, daß sie weder daran dachten, aufs Land zu fliehen, noch sich einzuschließen. Ja, so wenig Sorgen machten sie sich, daß sie sogar Freunde und Verwandte aus der City in ihr Haus aufnahmen, und von anderswoher suchten verschiedene Leute tatsächlich Zuflucht in jenem Teil der Stadt, als sei dort ein Ort der Sicherheit, ein Ort, den Gott, so glaubten sie, übergehen und nicht heimsuchen werde, wie Er die übrigen heimsuchte.
Und dies war der Grund, daß sie dort, als die Pest dann über sie kam, bestürzter, weniger vorbereitet und viel ratloser waren als anderswo; denn als das Unheil bei ihnen ernstlich und mit Macht ausbrach, wie es im September und im Oktober wirklich geschah, gab es dann kein Entweichen aufs Land mehr, niemand ließ da noch einen Fremden nahekommen, nein, nicht einmal ihren Ortschaften durfte sich jemand nähern; und mehrere Leute, so habe ich mir erzählen lassen, die auf der Surrey-Seite ins Land hineinwanderten, sind in den Wäldern und Auen verhungert aufgefunden worden; die Gegend ist dort zugänglicher und waldiger als sonst so nahe bei London, und besonders um Norwood und die Gemeinden Camberwell, Dulwich und Lusum herum, und dort, scheint es, hatte niemand das Herz, den armen Notleidenden etwas zu reichen, aus Furcht vor der Ansteckung.
Diese Vorstellung, von der, wie ich sagte, die Leute in jenem Stadtteil so durchdrungen waren, führte teilweise dazu, wie ich auch schon sagte, daß sie darauf verfielen, sich in Schiffen
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