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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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mir einen flachen Stein auf der anderen Straßenseite, ein gutes Stück von seinem Haus, »und dann rufe ich Hallo, bis sie mich hören; und sie kommen und holen es.«
    »Gut, Freund, aber wie«, sagte ich, »könnt Ihr als Fährmann Geld verdienen? Nimmt denn in diesen Tagen noch jemand den Weg über das Wasser?« »Doch, mein Herr«, sagte er, »wo ich beschäftigt bin, sehr wohl. Seht Ihr dort die fünf Schiffe vor Anker liegen« (er zeigte den Fluß hinab, ein gutes Stück unterhalb der Stadt), »und seht Ihr die acht oder zehn Schiffe, die dort oben festgemacht haben?« (er zeigte nach oberhalb der Stadt), »all diese Schiffe haben Menschen an Bord, die Familien ihrer Reeder und Eigentümer und so fort, die sich eingeschlossen haben und an Bord wohnen, streng abgesondert, aus Furcht vor der Ansteckung; und ich versorge sie, indem ich Sachen für sie einhole, Briefe befördere, und was unbedingt notwendig ist, für sie tue, damit sie nicht an Land zu kommen brauchen; und jede Nacht mache ich mein Boot an einem der 138

    Beiboote dieser Schiffe fest, und da schlafe ich dann, und Gott helf mir, ich bin bisher gut gefahren.«
    »Ja, aber Freund«, sagte ich, »lassen sie Euch denn an Bord kommen, nachdem Ihr hier an Land gewesen seid, wo alles doch in so schrecklicher Verfassung und so verseucht ist?«
    »Ach, was das betrifft«, sagte er, »so gehe ich sehr selten an Deck hinauf, sondern ich liefere, was ich bringe, in dem Beiboot ab, oder ich lege an und sie hissen es hoch. Aber auch wenn ich an Bord ginge, ich glaube nicht, daß ich ihnen Gefahr brächte, denn ich gehe nie in ein Haus an Land oder berühre jemand, nein, nicht einmal von meiner eigenen Familie; ich hole nur Lebensmittel für sie.«
    »Ja, aber«, sagte ich, »das kann noch schlimmer sein, denn Ihr müßt diese Lebensmittel ja von irgend jemandem herhaben; und da dieser ganze Teil der Stadt so verseucht ist, ist es gefährlich, mit irgendwem auch nur zu sprechen, denn dieses Dorf ist sozusagen der Anfang von London, wenn es auch noch ein Stück davon weg liegt.«
    »Das ist wahr«, sagte er, »aber Ihr versteht mich nicht recht; ich kaufe die Lebensmittel nicht hier ein. Ich rudere nach Greenwich hinauf und kaufe dort frisches Fleisch, und manchmal rudere ich auch nach Woolwich hinab und kaufe dort ein; dann gehe ich auf einzelstehende Gehöfte im Kentischen, wo man mich kennt, und kaufe Geflügel und Eier und Butter, und dann bringe ich zu den Schiffen von dem einen oder anderen, je nachdem was sie jedesmal bestellt haben. Ich komme selten hier an Land, und ich bin jetzt nur gekommen, um mein Weib zu rufen und zu hören, wie es meiner kleinen Familie ergeht, und ihnen etwas Geld zu geben, das ich gestern abend bekommen habe.«
    »Armer Mensch!« sagte ich; »und wieviel hast du für sie zusammengebracht?«
    »Ich habe vier Schillinge« sagte er, »und das ist viel Geld, so wie die Dinge jetzt mit den armen Leuten stehen; aber sie 139

    haben mir auch einen Sack Brot gegeben und einen gesalzenen Fisch und etwas Fleisch; so kommt alles zueinander.«
    »Nun, und hast du es ihnen schon gebracht?« sagte ich.
    »Nein«, sagte er; »aber ich habe gerufen, und mein Weib hat geantwortet, daß sie nicht gleich herauskommen könne, aber in einer halben Stunde, hofft sie, kann sie es tun, und ich warte auf sie. Arme Frau! sie ist ganz elend daran. Sie hat eine Geschwulst, und sie ist aufgegangen, und ich hoffe, sie wird gesund werden; aber das Kind, fürchte ich, wird sterben, jedoch es ist der Herr –«
    Hier verstummte er und weinte sehr.
    »Nun, wackerer Freund«, sagte ich, »du hast einen sicheren Tröster, wenn du dahin gelangst, dich in den Willen Gottes zu ergeben; Er verfährt mit uns allen nach Seiner Gerechtigkeit.«
    »Oh, mein Herr«, sagte er, »es ist schon eine unendliche Gnade, wenn einer verschont wird, und wer bin ich, daß ich murren dürfte!«
    »Sprichst du so?« sagte ich, »wieviel geringer ist dann mein Glaube als der deine?« Und hier überfiel mich meine Seele mit Vorwürfen: Wieviel fester war doch dieses armen Mannes Entschluß, in der Gefahr auszuhalten, gegründet als der meine; er hatte nicht, wohin er hätte fliehen können; er hatte eine Familie, die ihn zum Unterhalt verpflichtete, das hatte ich nicht; mein Ausharren war reine Vermessenheit, seines eine echte Unabkömmlichkeit und ein Vertrauen, das in Gott ruhte; und doch hatte er jede mögliche Vorsicht für seine Sicherheit gebraucht.
    Ich wandte mich ein wenig von ihm

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