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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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sollte, um sich und sie alle zu ernähren. Das Geld, das sie hatten, taten sie alles in eine gemeinsame Kasse, und so traten sie ihre Reise an. Es scheint, daß an dem Morgen, an dem sie abmarschierten, der Wind, wie der Seemann anhand seines Taschenkompasses feststellte, aus Nordwest-bei-West wehte. So richteten sie ihren Weg, oder nahmen es sich jedenfalls vor, nach Nordwest.
    Aber dann tauchte eine Schwierigkeit auf; da sie am diessei-tigen Ende von Wapping, in der Nähe der Hermitage, aufbrachen und die Pest jetzt besonders in den nördlichen Bezirken der Stadt wie Shoreditch und Cripplegate sehr wütete, hielten sie es nicht für sicher, diesen Stadtteilen zu nahe zu kommen; darum wandten sie sich zuerst nach Osten und gingen über Ratcliff Highway bis nach Ratcliff Cross, und von dort ließen 164

    sie die Stepney Kirche immer noch zur Linken, da sie sich fürchteten, von Ratcliff Cross gleich nach Mile End hinüberzu-gehen; denn da wären sie dicht bei dem Friedhof vorbeige-kommen, und der Wind, der jetzt eine mehr westliche Richtung zu haben schien, wehte direkt von den Vierteln her, wo die Pest am ärgsten war.
    Darum, sage ich, machten sie von Stepney aus einen großen Bogen und gingen nach Poplar und Bromley und kamen genau in Bow auf die große Straße.
    Hier würde die Wache, die auf der Brücke von Bow postiert war, sie angehalten haben, aber sie kreuzten die Straße und entgingen dort jeder Nachprüfung und gelangten auf einem schmalen Weg, der, von hier aus gesehen, noch vor dem Ort Bow abzweigt, nach Old Ford. Die Konstabler waren überall sehr wachsam, nicht so sehr, scheint es, um Leute am Durchgehen zu hindern, als vielmehr um ihr Wohnenbleiben in den einzelnen Ortschaften zu vereiteln, und außerdem eines Ge-rüchtes wegen, das vor kurzem aufgekommen war und das, in der Tat, gar nicht so unwahrscheinlich war, nämlich daß die Armen in London, die aus Mangel an Arbeit, und so auch aus Mangel an Verdienst, Not litten und darbten, zu den Waffen gegriffen und einen Aufruhr verursacht hätten, und daß sie in alle Ortschaften rundherum kommen würden, um Nahrung zu rauben. Dies, sage ich, war nur ein Gerücht, und es konnte gut sein, daß es nichts weiter war. Aber es war auch nicht so weit entfernt davon, eine Tatsache zu sein, wie man geglaubt hat, denn einige Wochen später wurden die armen Leute durch die Not, die sie litten, so verzweifelt, daß sie nur mit großer Schwierigkeit davon zurückzuhalten waren, hinaus auf die freigelegenen Ortschaften zu laufen und dort alles, was ihnen in die Hände fiel, kurz und klein zu schlagen; und, wie ich vorher schon bemerkte, nichts hinderte sie daran, als daß die Pest so heftig wütete und so rasend über sie herfiel, daß sie eher zu Tausenden ins Grab gingen als in Rotten zu Tausenden 165

    aufs Land; denn in der Gegend um die Pfarren St. Sepulchre, Clerkenwell, Cripplegate, Bishopsgate und Shoreditch, welches die Plätze waren, wo der Pöbel eine drohende Haltung annahm, griff die Seuche so wild um sich, daß in diesen wenigen Pfarren damals schon, wo die Pest noch gar nicht ihren Höhepunkt erreicht hatte, in den drei ersten Wochen des August nicht weniger als 5361 Menschen starben, während zur gleichen Zeit die Viertel um Wapping, Ratcliff, Rotherhithe, wie vorher beschrieben, noch kaum berührt waren oder nur sehr geringfü-
    gig; so daß, in einem Wort, obschon, wie ich vorher sagte, die kluge Amtsführung des Lordbürgermeisters und der Friedensrichter vieles tat, um zu verhindern, daß die Wut und Verzweiflung des Volkes in Aufruhr und Empörung ausbrach und daß, kurz gesagt, die Armen die Reichen ausraubten – ich sage, obschon sie vieles taten, so taten die Totenkarren mehr, denn wenn ich sagte, in fünf Pfarren allein starben in zwanzig Tagen über 5000, so kann man dreimal soviel für die Zahl der Kranken während der ganzen Zeit rechnen, denn einige wurden gesund, aber viele wurden jeden Tag neu krank und starben später. Außerdem muß man mir immer noch zu sagen erlauben, daß, wenn das Totenregister fünftausend angab, ich stets angenommen habe, es seien in Wirklichkeit beinahe doppelt soviele gewesen, denn es bestand kein Anlaß zu glauben, daß die Angaben, die dort gemacht wurden, richtig waren oder daß man dort, bei der Verwirrung, in der ich sie sah, auch nur in der Lage war, mit einiger Genauigkeit Buch zu führen.
    Aber um zu meinen Wanderern zurückzukehren. Hier erst (in Old Ford) wurden sie überprüft, und da sie eher vom

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