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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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eine Zeitlang glaubten, jene, die so auf der Straße starben, würden erst in dem Moment erfaßt, wo sie umfielen, als hätte sie ein Schlag vom Himmel getroffen, so wie Menschen vom Blitz getötet werden, aber sie ließen sich dann eines Besseren belehren; denn wenn man an solchen nach ihrem Tode eine Leibesuntersuchung vornahm, fand man immer entweder die Zeichen an ihnen oder andere schlüssige Beweise, daß die Krankheit länger in ihnen wirksam gewesen war, als man hätte vermuten mögen.

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    Dies war oft der Grund, daß wir Gesundheitsinspektoren, wie gesagt, nicht in Erfahrung bringen konnten, wann die Seuche in einem Hause eingekehrt war, bevor es zu spät war, um es zu sperren, und manchmal hörten wir es erst, nachdem alle, die darin zurückgeblieben waren, tot waren.
    An der Petticoat Lane waren zwei Häuser zusammen infiziert worden und mehrere Personen krank; aber es wurde so gut verborgen gehalten, daß der Gesundheitsinspektor, der mein Nachbar war, davon keine Kenntnis erhielt, bis ihm die Meldung überbracht wurde, die Leute seien alle tot und der Totenkarren möge dort vorbeifahren, um sie abzuholen. Die beiden Familienoberhäupter hatten ihre Handlungsweise aufeinander abgestimmt und alles so eingerichtet, daß, wenn der Gesundheitsinspektor in der Nachbarschaft war, sie gewöhnlich dort beide zugleich auftauchten und füreinander Rede standen, das heißt logen; oder sie brachten irgendwen in der Nachbarschaft dazu auszusagen, daß bei ihnen alles wohlauf sei oder jedenfalls nichts anderes bekannt sei; aber dann machte der Tod es unmöglich, das Geheimnis länger zu wahren, und als die Totenkarren in der Nacht zu beiden Häusern gerufen wurden, wußte es jedermann. Aber als der Gesundheitsinspektor den Konstabler die Häuser sperren hieß, da war niemand mehr darin als drei im Sterben Liegende, zwei in einem Haus und einer in dem andern, und in jedem Haus eine Krankenwärterin, die zugeben mußte, daß fünf Personen schon vorher beerdigt worden waren, daß die Häuser seit neun oder zehn Tagen befallen waren und daß, was die übrigen der beiden Familien angeht, deren es viele waren, sie sich davongemacht hätten, manche krank, manche gesund oder ob gesund oder krank ungewiß.
    Ähnlich war es in einem anderen Haus der gleichen Straße: Ein Mann, dessen Familie befallen worden war, der aber durchaus nicht willens war, sich einsperren zu lassen, sperrte, als er es nicht mehr länger verheimlichen konnte, sich selbst 215

    ein; das heißt, er setzte ein großes rotes Kreuz auf seine Haustür, mit den Worten: »Herr, habe Erbarmen mit uns«, und täuschte so den Gesundheitsinspektor, der glaubte, es sei durch den Konstabler geschehen, auf Anordnung des anderen Gesundheitsinspektors, denn es gab für jeden Bezirk oder Revier-kreis deren zwei. Auf diese Weise hatte er freien Austritt und Eintritt aus seinem Haus und wieder hinein, ganz nach Belieben, ungeachtet der Tatsache, daß es befallen war, bis schließ-
    lich der Trick herauskam, und dann machte er sich mit dem gesunden Teil seiner Dienerschaft und Familie auf und davon, und so wurden sie tatsächlich nicht eingesperrt.
    Diese Dinge machten es sehr schwer, wenn nicht unmöglich, wie ich schon sagte, die Ausbreitung einer Seuche durch Sperren von Häusern zu verhindern; es sei denn, die Leute empfänden das Sperren ihrer Häuser als keine Belastung und wären darum soweit damit einverstanden, daß sie den Behörden getreulich und pflichtgemäß von ihrer Infizierung Meldung erstatteten, sobald sie selbst sie erkannt hätten; aber da man dies von ihnen nicht erwarten kann und man den Gesundheitsinspektoren, wie oben, nicht zumuten kann, in die Häuser hineinzugehen, um Haussuchungen zu halten, so wird immer alles Gute, das das Absperren der Häuser für sich hat, zunichte gemacht werden, und wenige Häuser werden beizeiten gesperrt werden, außer denen der Armen, die nichts verheimlichen können, und wenn Leute sich durch den Schreck und die Bestürzung verraten, in die die Sache sie versetzt hat.
    Ich konnte mich von dem gefährlichen Amt, in dem ich da war, freimachen, nachdem ich jemandes anderen Zulassung erwirkt hatte, den ich mit etwas Geld gewonnen hatte, es anzunehmen; und so war ich anstelle der zwei Monate, die vorgesehen waren, nicht länger als drei Wochen im Dienst; aber lange war auch das, wenn man bedenkt, daß es im Monat August war, während welcher Zeit die Seuche mit großer Heftigkeit in unserem Teil der Stadt zu wüten

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