Die Pest zu London
begann.
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In der Ausübung dieses Amtes konnte ich unter meinen Nachbarn nicht mit meiner Meinung zurückhalten, was dieses Einsperren der Menschen in ihren Häusern betraf; wir sahen dabei ganz klar, daß die Härte, welche angewendet wurde, bitter genug in sich selbst, noch einen besonderen Einwand gegen sich hatte, nämlich daß sie nicht, wie ich schon sagte, ihrem Zweck diente, da ja die Krankheitsbefallenen Tag für Tag auf der Straße umhergingen; und es war unser aller gemeinsame Meinung, daß eine Methode, nach welcher man für den Fall, daß ein Haus heimgesucht wurde, die Gesunden von den Kranken hätte trennen können, in vieler Hinsicht weit vernünftiger gewesen wäre, indem dann niemand bei den Kranken geblieben wäre, als diejenigen, welche, in einem solchen Falle, bleiben zu dürfen ersucht hätten und einverstanden gewesen wären, daß man sie mit einsperrt.
Unser Plan, die Gesunden von den Kranken zu entfernen, richtete sich nur auf die Häuser, welche befallen waren, und die Kranken festzusetzen war keine Gefangensetzung; wer sich ohnehin nicht hinausrühren konnte, würde sich nicht beklagen, solange er bei Sinnen war und vernünftig denken konnte.
Allerdings, wenn sie ins Delirium und in die Erregungszustän-de kamen, dann pflegten sie gegen die Grausamkeit des Einge-schlossenseins aufzubegehren; aber was die Entfernung derer, die gesund waren, angeht, hielten wir es für höchst vertretbar und richtig, daß sie, um ihrer selbst willen, von den Kranken entfernt würden und, um der anderen Leute Sicherheit willen, sich für eine Weile abgesondert halten sollten, so daß man sehen konnte, sie seien gesund und stellten für andere keine Ansteckungsgefahr dar; und wir meinten, zwanzig oder dreißig Tage seien dafür genug.
Wenn man nun eigens zu dem Zweck Häuser bereitgestellt hätte, daß die Gesunden darin diese Halb-Quarantäne hätten verbringen können, dann hätten sie gewiß in einer solchen Abgeschiedenheit viel weniger Grund gehabt, sich benachtei-217
ligt zu fühlen, als wenn sie mit den Kranken zusammen in den Häusern, in denen sie wohnten, eingeschlossen wurden.
Man muß hier jedoch bemerken: Nachdem die Begräbnisse so zahlreich wurden, daß man nicht mehr die Glocken läuten, trauern oder weinen konnte oder Schwarz füreinander tragen, wie man es früher immer getan hatte, ja nicht einmal mehr Särge für die Verstorbenen anfertigen konnte – auf die Dauer schien da die Macht der Seuche so groß geworden zu sein, daß man, kurz und gut, überhaupt kein Haus mehr absperrte. Man ließ es dabei bewenden, daß alle Mittel dieser Art gebraucht worden waren, bis sie sich als zwecklos erwiesen hatten und daß die Pest sich mit einer unwiderstehlichen Gewalt ausbreitete; so wie im darauffolgenden Jahr das Feuer um sich griff und mit solcher Macht brannte, daß die Bürger verzweifelt ihre Bemühungen, es zu löschen, aufgaben – ebenso kam es bei der Pest am Ende so weit, daß die Leute nur noch still dasaßen und einander anschauten, offenbar völliger Verzweiflung ergeben; ganze Straßen schienen ausgestorben und nicht nur gesperrt, sondern ihrer Bewohner entleert zu sein; Türen waren offen gelassen, Fenster standen klappernd im Wind, weil in leeren Häusern niemand da war, sie zu schließen. Mit einem Wort, die Menschen begannen sich ihrer Furcht anheimzugeben und zu glauben, alles, was zur Abhilfe unternommen wurde, sei vergeblich und nichts sei zu erwarten als vollständiger Untergang; und gerade in diesem Höhepunkt der allgemeinen Verzweiflung gefiel es Gott, innezuhalten und die Wut der Anstek-kung in solcher Art abzuschwächen, daß es wieder, wie der Beginn, ganz unverhofft kam, und so allen sichtbar zu machen, daß es Seine eigene Hand war, die, wenn auch nicht ohne die Vermittlung durch Zweitursachen, wirkte, worauf ich an gegebener Stelle noch eingehen werde.
Aber ich muß immer noch von der Pest auf ihrem Höhepunkt sprechen. Sie wütete bis zur Austilgung, und die Leute gerieten in ihrer schrecklichen Fassungslosigkeit, wie ich sagte, bis in 218
tiefe Verzweiflung. Es ist kaum glaublich, zu welchen Ausschreitungen die Menschen sich in dieser Siedehitze der Seuche von ihren Leidenschaften hinreißen ließen, und dies, glaube ich, war genauso bewegend wie alles übrige. Was könnte einen Menschen, der noch im vollen Besitz seiner Geisteskräfte ist, mehr ergreifen, was könnte einen tieferen Eindruck auf sein Gemüt machen, als zu sehen, wie ein Mann, beinahe
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