Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
Vom Netzwerk:
Abenteuer geheilt worden sei, was mir, muß ich gestehen, nicht recht glaubhaft vorkommt; aber es mag zur Bestätigung dienen, daß die Leidenden, wenn sie ins Delirium kamen oder, wie wir sagen, ihnen der Kopf zu leicht wurde, häufig auf die verrücktesten Dinge verfielen; und wie unendlich viel mehr davon hätte es gegeben, wenn diese Menschen nicht durch das Absperren der Häuser festgehalten worden wären; und das war meiner Meinung nach das Beste, wenn nicht das einzige Gute überhaupt, was bei dieser strengen Methode herauskam.
    Andererseits waren die Klagen und das Murren gegen die Sache selbst sehr bitter. Es pflegte allen, die vorbeigingen, das Herz zu zerreißen, wenn sie die erbarmungswürdigen Schreie jener befallenen Menschen hörten, die vor Heftigkeit der Schmerzen oder Hitze des Blutes von Sinnen waren und entweder eingeschlossen oder vielleicht an Bett und Stühlen festgebunden, damit sie sich nicht wehtun könnten; und sie erhoben immer ein grauenhaftes Jammergeschrei, daß man sie einsperre und ihnen nicht erlaube, in Freiheit zu sterben, wie sie es nannten, und wie sie es sonst getan hätten.
    Dies Umherlaufen der kranken Personen auf der Straße war sehr arg, und die Behörden taten ihr Äußerstes, um es zu unterbinden; aber da es gewöhnlich nachts und immer ganz plötzlich war, daß solche Versuche gemacht wurden, konnten die Beamten nicht immer zur Hand sein, um es zu verhindern; und auch wenn am Tage Kranke herausgelangten, waren die zuständigen Beamten nicht geneigt, sich mit ihnen einzulassen, denn da sie alle, wenn sie erst in dieses Stadium kamen, schwer verseucht waren, waren sie noch ansteckender als gewöhnlich und sie anzufassen gehörte zum Gefährlichsten, was man tun konnte. Sie hingegen rannten meist einfach drauflos, ohne zu wissen, was sie taten, bis sie tot umfielen oder bis sie sich so 208

    erschöpft hatten, daß sie hinsanken und dann vielleicht in einer halben Stunde oder einer Stunde starben; und, was am mitleid-erregendsten zu hören war, sie kamen mit Bestimmtheit innerhalb dieser halben Stunde oder Stunde wieder völlig zu sich und erhoben dann ganz gramvolle und durchdringende Schreie und Klagerufe, wenn sie sich in tiefem Schmerz ihres Zustandes bewußt wurden. Dies kam besonders häufig vor, ehe die Verordnung über das Versperren der Häuser so strikt durchgeführt wurde, denn zu Anfang waren die Wachmänner nicht so unnachsichtig und streng darin, die Leute drinnen zu halten, wie sie es später waren; das heißt, bevor sie, ich meine einige von ihnen, schwer dafür bestraft wurden, daß sie ihre Pflicht vernachlässigten und die Leute, die unter ihrer Obhut standen, davonschlüpfen ließen oder ein Auge zudrückten, wenn sie außer Hauses gingen, ob gesund oder krank. Aber als sie merkten, daß die Beamten, die ihr Verhalten zu kontrollieren hatten, entschlossen waren, sie zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten oder sie für ihre Nachlässigkeit zu bestrafen, nahmen sie es genauer, und die Leute wurden streng abgeschlossen; das aber nahmen die so übel und ertrugen es mit solchem Widerstreben, daß man die Äußerungen ihres Unmuts kaum beschreiben kann. Aber es bestand eine absolute Notwendigkeit dafür, das muß man zugeben, es sei denn, man hätte beizeiten andere Maßnahmen ergriffen, und dafür war es jetzt zu spät.
    Wäre gerade dieses, daß die Kranken, wie geschildert, abgesondert wurden, damals bei uns nicht durchgeführt worden, London wäre der schreckensreichste Ort gewesen, den es je auf der Welt gegeben hat; es wären, nach menschlichem Ermessen, ebensoviele Menschen auf der Straße gestorben wie jetzt in den Häusern starben; denn als die Seuche auf ihrem Höhepunkt war, machte sie gewöhnlich wahnsinnig und irre, und wenn einer das war, dann konnte man ihn nicht mehr anders dazu bringen, im Bett zu bleiben, als mit Gewalt; und viele, die nicht 209

    angebunden waren, stürzten sich zum Fenster hinaus, wenn sie bemerkten, daß man sie zur Tür nicht hinausgehen ließ.
    Es ist dem Mangel an gegenseitigem Verkehr in dieser Notzeit zuzuschreiben, daß es für eine Einzelperson unmöglich war, zur Kenntnis all der außergewöhnlichen Fälle zu gelangen, die sich in den verschiedenen Häusern abspielten; insbesondere glaube ich, es ist bis auf den heutigen Tag niemals bekannt geworden, wieviele Menschen im Delirium sich in der Themse ertränkten und in dem Fluß, der von den Marschen her bei Hackney vorbeikommt und den wir gewöhnlich Ware Fluß

Weitere Kostenlose Bücher