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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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anders zu befreien wußte, als mit einer Kerze, die unglücklicherweise in seiner Reichweite stand, das Bett in Flammen zu setzen und der so sich selbst im Bett verbrannte; und von dem andern, der vor unerträglichen 225

    Schmerzen, die er doch zu ertragen hatte, nackt auf der Straße tanzte und sang, die eine Ekstase von der andern nicht mehr unterscheidend; ich sage, nachdem ich diese Dinge erwähnt habe, was kann ich noch hinzufügen? Was kann man sagen, um dem Leser ein noch eindringlicheres Bild von dem Elend dieser Zeit zu geben oder ihm eine noch vollkommenere Vorstellung von einer vielgesichtigen Not zu übermitteln?
    Ich muß gestehen, daß es jetzt fürchterlich wurde, daß ich manchmal am Ende all meiner guten Vorsätze angelangt war und daß ich nicht mehr die Zuversicht besaß, die ich am Anfang gehabt hatte. Wie diese Endzeit die anderen auf die Straße brachte, so trieb sie mich heim, und nachdem ich meine Reise nach Blackwell und Greenwich hinunter gemacht hatte (ein Ausflug, von dem ich berichtete), hielt ich mich hinfort fast ausschließlich im Hause auf, so wie ich es ungefähr zwei Wochen lang vorher getan hatte. Ich habe schon gesagt, daß ich es mehrere Male bereute, so wagemutig in der Stadt geblieben zu sein und nicht mit meinem Bruder und seiner Familie fortgegangen zu sein, aber es war dafür nun zu spät; und ich blieb eine ganze Weile zurückgezogen und im Hause, bevor meine Ungeduld mich hinausführte, und dann berief man mich, wie gesagt, zu diesem häßlichen und gefährlichen Dienst, und das brachte mich wieder hinaus; aber da das vorbeiging, während noch der Höhepunkt der Seuche andauerte, zog ich mich wieder zurück und verbrachte noch weitere zehn oder zwölf Tage drinnen, während derer viele grauenhafte Schau-spiele unmittelbar von meinem eigenen Fenster aus auf unserer Straße zu sehen waren, so zum Beispiel das, wie aus der Harrow Alley jenes arme verrückte Menschenkind in seiner Qual singend herausgetanzt kam; und davon gab es viele andere. Kaum ein Tag oder eine Nacht verging, ohne daß dieses oder jenes Schrecknis sich am Ende dieser Harrow Alley ereignete; dort wohnten lauter arme Leute, von denen die meisten zum Metzgergewerbe gehörten oder zu Berufen, die 226

    mit der Metzgerei zu tun haben.
    Ab und zu pflegten dichte Haufen von Menschen aus diesem Gäßchen herauszuquellen, die meisten davon Frauen, und ein fürchterliches Geschrei zu machen, das sich aus Kreischen, Heulen, Zurufen mischte und überkreuzte und aus dem wir nicht klug werden konnten. Beinahe die ganze Zeit der Nacht stand der Totenkarren am Ende des Gäßchens, denn wäre er hineinge-fahren, er hätte nicht wieder wenden können, auch wäre er ohnehin nicht weit hineingekommen. Dort, sage ich, stand er, um die Toten in Empfang zu nehmen, und da der Friedhof nur ein kleines Stück entfernt war, so pflegte er, wenn er voll davongefahren war, in kurzem wieder zurück zu sein. Es ist unmöglich, die ganz schauderhaften Schreie und den Lärm zu beschreiben, den die Leute vollführten, wenn sie die Leichen ihrer Kinder und Freunde zu dem Karren herausbrachten, und an der Zahl gemessen, hätte man glauben sollen, daß niemand mehr übriggeblieben sei, oder aber daß da eine Bevölkerung, die für eine kleine Stadt ausgereicht hätte, in dieser Straße lebte. Mehrere Male riefen sie: »Mord«, bisweilen »Feuer!«, aber man konnte leicht ersehen, daß das alles irres Gerede war, die Klagen leidender und schmerzgetrübter Menschen.
    Ich glaube, es war um diese Zeit überall so, denn die Pest wütete fünf oder sechs Wochen lang noch schlimmer, als ich es bislang schilderte, und das steigerte sich so weit, daß am Ende sogar jene mustergültige Ordnung verlorenging, die ich so sehr unserer Obrigkeit zugute gehalten habe, nämlich daß zur Tagzeit keine Leichen und keine Beerdigungen auf der Straße zu sehen waren; jetzt zwang die Notwendigkeit, auf eine kurze Zeit darüber hinwegzusehen, wenn es einmal anders war.
    Eines kann ich hier nicht übergehen, und ich hielt es in der Tat für außerordentlich, jedenfalls schien es ein auffallender Hinweis der göttlichen Gerechtigkeit zu sein, nämlich daß alle die Propheten, Astrologen, Wahrsager, und was sich Hellseher, Zauberer und ähnliches nannte, Horoskopsteller und Traumdeu-227

    ter und solches Volk, daß sie alle fort und verschwunden waren; nicht einen konnte man davon mehr finden. Man hat mir glaubwürdig versichert, daß eine große Anzahl von ihnen in

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