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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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bleibt.
Aber im großen ganzen, fand ich, war diese Seuche solcherart, daß es unmöglich war, die Ansteckung zu entdecken oder ihre Übertragung von einem auf den andern durch irgendeine menschliche Kunst zu verhindern.
Hier ist in der Tat ein schwieriger Punkt, über den ich bis heute nicht ganz hinweggekommen bin, und meines Wissens gibt es überhaupt nur eine einzige Antwort darauf, nämlich diese: Der erste Pestkranke war etwa am 20. Dezember 1664 gestorben und zwar am Long Acre oder dort herum; es hieß, daß dieser erste sich die Ansteckung von einem Paket Seide geholt hatte, das von Holland herübergekommen und in jenem Haus geöffnet worden war.
Aber danach hörten wir nichts mehr davon, daß jemand an der Pest gestorben sei oder daß an jenem Ort die Pest herrsche; erst am 9. Februar – das war ungefähr sieben Wochen später – wurde noch einer aus dem gleichen Hause beerdigt. Die Sache wurde dann aber vertuscht, und lange Zeit waren wir, wenigstens nach außen hin, vollkommen beruhigt; denn es erschien ja auf dem wöchentlichen Register niemand mehr als an der Pest gestorben, bis dann am 22. April wieder zwei Personen, nicht aus demselben Haus, aber aus derselben Straße, beerdigt wurden; und soweit ich mich erinnern kann, waren sie aus dem Haus, das dem ersten benachbart war. Dies war nach einem Zwischenraum von neun Wochen geschehen, und danach hatten wir wieder für zwei Wochen Ruhe, und dann brach es in mehreren Straßen aus und breitete sich nach allen Seiten hin aus. Die Frage scheint nun also zu lauten: Wo blieben diese ganze Zeit über die Keime der Infektion? Wie kam es, daß sie so lange innehielt und nicht länger? Entweder die Seuche ging nicht durch körperliche Übertragung unmittelbar von einem auf den andern über, oder wenn sie es tat, dann mußte der Körper imstande sein, auch mit der Infektion weiterzuleben, ohne daß viele Tage, ja Wochen lang, die Krankheit sich offenbarte; das konnte nicht nur eine Quarantäne lang dauern, sondern eine Soissantäne: nicht nur vierzig Tage, sondern sechzig Tage und länger.
Zwar gab es, wie ich anfangs bemerkte und wie es vielen, die aus der Zeit noch am Leben sind, wohl bekannt ist, einen sehr strengen Winter und einen drei Monate anhaltenden Frost, und das, so meinen die Ärzte, hat der Seuche Einhalt gebieten können; aber dagegen müssen die Gelehrten mir einzuwenden erlauben, daß, wenn die Krankheit nach ihrer Vorstellung sozusagen nur eingefroren war, sie gleich einem gefrorenen Fluß ihre alte Kraft und Stärke wiedererlangt hätte, sobald Tauwetter einsetzte; der hauptsächliche Rückgang war jedoch bei unserer Seuche von Februar bis April, und das war, nachdem der Frost nachgelassen hatte und das Wetter mild und warm geworden war.
Es gibt noch eine andere Lösung für diese ganze Schwierigkeit, und ich glaube, meine eigene Erinnerung kann sie erbringen; sie besteht darin, daß ich die Tatsache bestreite, es sei in jenen langen Zwischenräumen, nämlich vom 20. Dezember bis zum 9. Februar und von da bis zum 22. April, niemand an der Pest gestorben. Die wöchentlichen Totenregister stellen das einzige Gegenzeugnis dar, aber diese Register sind nicht, jedenfalls nicht für mich, vertrauenswürdig genug, um einer Hypothese als Grundlage zu dienen oder eine Frage von solcher Wichtigkeit zu entscheiden; es war nämlich zu der Zeit unser aller, und ich glaube mit gutem Grund gefaßte Meinung, daß die Täuschung bei den Gemeindebeamten, den Leichenbeschauern lag, oder wer sonst von Amts wegen über die Verstorbenen und die Krankheiten, an denen sie gestorben waren, Bericht zu erstatten hatte; und da die Leute sich zu Anfang sehr dagegen sträubten, ihre Nachbarn glauben zu lassen, ihre Häuser seien infiziert, so brachten sie es mit Geld oder auf andere Art dahin, daß man bei ihren Toten andere Krankheiten als Todesursachen angab; und so wurde es, das weiß ich, nachher vielerorts gehandhabt, ich glaube, ich kann sagen, überall wo die Seuche hinkam, wie man aus dem ungeheuren Anwachsen der Zahlen ersehen kann, die auf dem Register während der Zeit der Seuche unter den Rubriken anderer Krankheiten eingetragen wurden. So war es zum Beispiel in den Monaten Juli und August, also als die Pest auf ihren Höhepunkt zuging, etwas ganz Gewöhnliches, daß man von tausend bis zwölfhundert, ja bis fünfzehnhundert Tote in der Woche unter anderen Todesursachen fand. Nicht daß die Zahlen jener Krankheiten sich wirklich in dem Maße erhöht hätten,

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