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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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geschah es in der Aldgate Kirche, daß in einer Bank voller Menschen eine Frau plötzlich vermeinte, einen üblen Geruch zu riechen. Sofort glaubte sie, die Pest sei in der Bank, flüsterte ihre Idee oder ihren Verdacht der nächsten zu und steht dann auf und verläßt die Bank. Die Nachbarin packte es auch sogleich und ebenso alle andern; und jedermann in der Bank und in zwei oder drei anschließenden stand auf und verließ die Kirche, ohne daß einer gewußt hätte, was ihn belästigt hatte und von wem es kam.
    Dies ließ gleich jeden wieder dieses oder jenes Präparat schlucken, so wie es die alten Weiber verschrieben oder wie es vielleicht auch die Ärzte verschrieben, um die Infektion durch den Atem anderer zu verhindern; und das ging so weit, daß, wenn man in eine irgend nur besuchte Kirche eintrat, einem am Eingang ein solches Durcheinander der Gerüche entgegenwehte, wie man es beim Eintritt in einen Apotheker- oder Drogistenladen nicht so stark findet, wenn es dort auch gesünder sein mag. In einem Wort, die ganze Kirche war wie eine Riechflasche; in einer Ecke duftete alles nach Parfümen; in der anderen nach allen möglichen Drogen und Kräutern, Balsamen und Aromaten; in der nächsten wieder nach Riechsalz und alkoholischen Essenzen, eben ganz wie jeder sich zur eigenen Bewahrung versehen hatte. Doch konnte ich beobachten, daß, nachdem der Glaube oder vielmehr die Überzeugung von den Leuten Besitz ergriffen hatte, daß, wie gesagt, die Infektion so von anscheinend gesunden Menschen weitergetragen wird, die Kirchen und Gebetshäuser viel schwächer besucht wurden, als es zu anderen Zeiten zuvor der Fall war. Das muß man aber von den Menschen in London sagen, daß während der ganzen Zeit der Pest die Kirchen oder Gebetshäuser niemals ganz geschlossen wurden und daß die Leute nicht nachließen, sich zur öffentlichen Verehrung Gottes einzufinden, ausgenommen nur, wenn in einer Pfarre die Seuche mit ganz besonderer Heftigkeit wütete, und dann auch nur für die Zeit, die das anhielt.
    In der Tat war nichts erstaunlicher als zu sehen, mit welcher Beherztheit die Leute zum öffentlichen Gottesdienst gingen, auch noch zu der Zeit, in der sie sich bei jedem anderen Anlaß fürchteten, aus dem Hause zu gehen; dies meine ich für die Zeit, bevor die Verzweiflung, von der ich sprach, sie überkam. Es war ein Beweis, wie außerordentlich stark die City zur Zeit der Seuche bevölkert war, obwohl doch eine so große Zahl Menschen gleich beim ersten Alarm aufs Land gezogen war und so viele später in die Wälder flohen, als das ungemeine Anwachsen der Seuche ihnen immer mehr Schrecken einflößte. Denn wenn man an den Sabbat-Tagen in die Kirche kam und die Menschenfülle sah, die sich dort drängte, und besonders in den Stadtteilen, wo die Pest nachgelassen hatte oder noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hatte, da konnte man nur staunen. Aber darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen. Vorläufig möchte ich zu dem Punkt der gegenseitigen Anstekkung zurückkehren und zwar zum Anfang, wo die Leute noch keine richtige Vorstellung hatten, wie die Ansteckung von einem zum andern vor sich ging. Da hielt man sich nur vor denen zurück, die akut erkrankt waren, also wenn einer eine Kappe auf dem Kopf trug oder Tücher um den Hals, wie es die taten, die dort Geschwülste hatten. Denn das war ja auch abschreckend. Aber wenn wir einen Herrn sahen, der tadellos gekleidet war, die Handschuhe in der Hand und den Hut auf dem Kopf und das Haar glatt gekämmt trug, da hatten wir nicht die geringste Befürchtung, und lange Zeit hindurch pflegten die Leute uneingeschränkten Umgang, besonders mit ihren Nachbarn und Bekannten. Aber als die Ärzte uns versicherten, die Gefahr komme ebenso von den Gesunden, das heißt, von den scheinbar Gesunden, wie von den Kranken und daß oft gerade diejenigen, die sich vollkommen unbetroffen fühlten, mit dem schlimmsten Ausgang rechnen mußten – als dies allmählich von den Leuten soweit verstanden wurde, daß man sich gemeinhin danach richtete und auch die Gründe einsah, da fingen sie an, sage ich, gegen jeden mißtrauisch zu werden, und eine ganze Menge von Leuten schloß sich ein, um überhaupt nicht mehr hinaus und unter Menschen zu gehen, und wenn einer sich draußen mit Krethi und Plethi abgegeben hatte, so ließen sie ihn nicht in ihr Haus, oder sie ließen ihn nicht nahekommen, jedenfalls nicht so nahe, daß er in die Reichweite ihres Atems oder ihres Riechens kam, und wenn sie

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