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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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gezwungen waren, mit Fremden aus der Entfernung zu sprechen, so pflegten sie stets von Vorbeugemittel im Mund oder in ihren Kleidern zu haben, um die Ansteckung abzuwehren und fernzuhalten.
    Es muß zugegeben werden, daß die Leute, als sie erst diese Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, weniger der Gefahr ausgesetzt waren, und die Seuche brach in diese Häuser nicht mit dem Ungestüm ein, wie sie es vordem bei anderen getan hatte; und Tausende von Familien wurden auf diese Weise gerettet, wenn man so sagen darf, ohne der Fügung der Vorsehung etwas streitig zu machen.
    Aber in die Köpfe der Armen etwas hineinzuhämmern war unmöglich. Ihre Gemütsart blieb so impulsiv, wie sie immer war. Groß war ihr Geschrei und Gezeter, wenn es sie ergriffen hatte, aber solange sie sich wohl befanden, waren sie bis zum Unfug leichtsinnig gegen sich selbst, töricht und unbelehrbar. Wo sie eine Anstellung finden konnten, dort griffen sie bei jeder Art von Arbeit zu, und wenn sie noch so gefährlich und ansteckungsbringend war; wenn man ihnen zuredete, dann pflegten sie zu antworten: »Man muß Gottvertrauen haben; wenn es mich trifft, dann sollte es so sein, und mit mir ist eben Schluß«, und ähnliches. Oder so: »Was soll ich denn tun? Ich kann nicht verhungern. Ich mag ebensowohl die Pest bekommen wie Hungers sterben. Ich habe keine Arbeit mehr; was bleibt mir übrig? Ich muß dies tun oder betteln gehen.« Angenommen es handelte sich um das Totenbestatten oder um Krankenwärterdienste oder um das Bewachen der befallenen Häuser, all das war schrecklich riskant, aber sie hatten immer nur das gleiche dazu zu sagen. Zwar war die Not geltend zu machen eine Rechtfertigung, die man einsehen mußte, und man konnte wohl keine bessere finden; aber sie sprachen auch so, wenn die Not nicht so groß war. Diese Haltung, es darauf ankommen zu lassen, trug ihnen ein, daß die Pest mit einem wahren Ungestüm unter ihnen hauste, und dies, zusammen mit den kläglichen Umständen, unter denen sie von der Krankheit befallen wurden, war auch der Grund, daß sie so haufenweise dahinstarben; denn ich könnte nicht sagen, daß ich je an ihnen beobachtet hätte, daß ihr Haushalten um einen Deut besser wurde, wenn sie dann – ich spreche von den Handarbeit verrichtenden Armen, solange sie gesund waren – Geld verdienten, als zuvor; sondern sie gaben es mit der gleichen verschwenderischen Genußsucht aus wie je und dachten wieder nicht an das Morgen; so daß sie dann, wenn die Krankheit zu ihnen kam, sogleich in der äußersten Not waren, durch den Hunger ebenso wie durch die Krankheit, durch den Mangel an Nahrung nicht weniger als durch den Mangel an Gesundheit.
    Dieses Elend der Armen mit meinen eigenen Augen zu sehen hatte ich viele Gelegenheit, manchmal auch die wohltätige Unterstützung, die einige fromme Menschen ihnen täglich angedeihen ließen, indem sie solchen Armen Hilfe sandten und sie mit Nahrung, Medizinen und anderem versorgten, so wie sie fanden, daß sie es brauchten; in der Tat schuldet man es gerechterweise der Gesinnung der Menschen jener Tage, hier zu vermerken, daß nicht nur große Summen, sehr große Summen Geldes an den Lordbürgermeister und die Stadträte zu dem wohltätigen Zweck, den unbemittelten Kranken zu helfen und Unterhalt zu geben, gesandt wurden, sondern daß auch sehr viele Menschen privat jeden Tag große Summen Geldes zur Unterstützung der Armen verteilten und Leute ausschickten, um sich über die Lage einzelner Familien, wenn sie in Not geraten und befallen waren, zu erkundigen und ihnen Hilfe zukommen zu lassen; ja, einige fromme Damen waren so vom Eifer für das gute Werk entflammt und hatten ein so starkes Vertrauen, es werde ihnen für die Erfüllung der edlen Pflicht der Nächstenliebe der Schutz der Vorsehung gewiß sein, daß sie in eigener Person umhergingen und Almosen an die Armen verteilten und sogar arme Familien, ob sie gleich krank und befallen waren, in deren Häusern selbst besuchten; sie stellten Krankenwärterinnen an, um die zu pflegen, die der Pflege bedurften, und beauftragten Apotheker und Wundärzte, die ersten, ihnen Medizinen und Behandlungsmittel zu liefern oder was sie sonst brauchten, die andern, die Geschwülste und Tumoren aufzuschneiden und zu verbinden, wo solches nottat; so brachten sie den Armen Segen, sowohl durch handgreifliche Unterstützung wie durch inniges Gebet.
    Ich möchte es nicht zu behaupten unternehmen, wie einige das tun, alle diese wohltätigen Menschen seien von

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