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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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betrunken, aber er selber sagte, er habe die Pest, was, so scheint es, zutraf; und als er dieser Dame begegnete, wollte er sie küssen. Sie war furchtbar erschrocken, da er ein sehr ungehobelter Geselle war, und sie lief vor ihm davon, aber die Straße war sehr menschenleer und niemand nahe genug, um ihr zu helfen. Als sie bemerkte, daß er sie einholen werde, wandte sie sich um und versetzte ihm mit solcher Gewalt einen Stoß, daß er, schwach wie er war, rücklings zu Boden stürzte. Aber unglücklicherweise war sie ihm so nahe, daß er sie ergreifen konnte und sie hinunterzog, und er kam vor ihr wieder hoch, überwältigte sie und küßte sie; und, was das Schlimmste war, nachdem er es getan hatte, sagte er ihr, er habe die Pest und warum solle nicht auch sie sie haben, so wie er sie habe? Sie war vorher schon erschrocken genug gewesen, zumal sie gerade schwanger war; aber als sie ihn sagen hörte, er habe die Pest, schrie sie laut auf und verfiel in eine Ohnmacht oder vielmehr in einen Herzanfall, an dem sie, obwohl sie sich ein wenig erholte, in nur wenigen Tagen starb, und ich habe nie gehört, ob sie die Pest hatte oder nicht.
    Ein anderer befallener Mann kam und klopfte an der Haustür eines Mitbürgers, wo man ihn sehr gut kannte; der Diener ließ ihn ein, und er, als er hörte, der Hausherr sei oben, rannte hinauf und trat in den Raum, wo die ganze Familie gerade beim Abendessen war. Sie standen zuerst auf, ein wenig überrascht, da sie nicht wußten, was los war, aber er hieß sie ruhig sitzen bleiben, er sei nur gekommen um von ihnen Abschied zu nehmen. Sie fragten ihn: »Aber Mr. –, wo wollen Sie hin?« »Wollen?« sagte er, »ich habe die Krankheit und werde morgen abend sterben.« Man kann sich vorstellen, wenn auch nicht beschreiben, in welcher Bestürzung sie alle waren. Die Frauen und Töchter des Hauses, noch ganz junge Mädchen, waren beinahe zu Tode erschrocken und sprangen auf, die eine zu dieser Tür hinausrennend, die andere zu jener, die einen treppauf, die anderen treppab, und als sie sich wieder einigermaßen zusammengefunden hatten, schlossen sie sich in ihre Zimmer ein und schrien zum Fenster hinaus um Hilfe, als hätten sie vor Schreck den Verstand verloren. Der Hausherr, ein wenig gefaßter als sie, obgleich auch sowohl entsetzt wie gereizt, wollte schon Hand an ihn legen und ihn in seiner Wut die Treppe hinunterwerfen, aber dann überlegte er doch ein wenig, in welchem Zustand sich der Mann befand und wie gefährlich es wäre, ihn anzufassen, und ein Schauder packte ihn, und er stand still wie vom Schlag gerührt. Der arme Mensch, im Kopfe ebenso krank wie am Körper, stand die ganze Zeit ebenso still, als habe es ihm die Sprache verschlagen. Schließlich wandte er sich um und sagte: »Ach!« mit aller scheinbaren Ruhe, die man sich vorstellen kann, »steht es so mit euch allen? Störe ich euch alle etwa? Nun, ich kann auch nach Hause gehen und dort sterben.« Und so ging er sofort hinunter. Der Diener, der ihn eingelassen hatte, ging ihm mit einer Kerze nach, fürchtete sich jedoch, an ihm vorbeizugehen und ihm die Tür zu öffnen, und blieb darum auf der Treppe stehen, um zu sehen, was er tun würde. Der Mann ging und öffnete die Tür und ging hinaus und warf die Tür hinter sich zu. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die Familie sich von dem Schrecken erholte, aber da sich keine üblen Folgen einstellten, haben sie Gelegenheit gehabt, davon später, und das kann man glauben, mit großer Genugtuung zu sprechen.
    Obschon der Mann gegangen gewesen sei, habe es einige Zeit gedauert, ja, so wurde es erzählt, einige Tage, bevor sie sich von der Aufregung, in der sie gewesen seien, erholt hätten; und sie hätten sich im Hause nicht wieder wohlgefühlt, bevor sie nicht alle möglichen Sorten von Räucherwerk in jedem Raum abgebrannt hätten und möglichst viel Rauch von Pech, von Schießpulver und von Schwefel entfacht hätten, alle sich einzeln umgekleidet und die Kleider gewaschen hätten und so fort. Was den armen Menschen angeht, so kann ich mich nicht erinnern, ob er leben blieb oder starb.
    Es ist völlig sicher, daß, wären die Kranken nicht durch die Absperrungen in den Häusern festgehalten worden, Scharen von ihnen, die bei hohem Fieber im Delirium und wahnsinnig waren, ständig die Straßen auf und ab gelaufen wären; und auch so tat das eine ganze Anzahl von ihnen und bedrohte jeden, den sie trafen, mit aller Art von Gewalttätigkeit, genau so wie ein tollwütiger Hund

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