Die Pest Zu London
und habe die Dielen und die Bohlen ergriffen und gerade bis dicht an die Leiche heran weiter gebrannt, habe die Leiche aber nicht berührt, obwohl die Frau wenig mehr als ihr Hemd anhatte, und sei von selber ausgegangen, das übrige Haus unversehrt lassend, obwohl es ein leicht gebautes Holzhaus gewesen sei. Wieviel daran wahr gewesen sein mag, kann ich nicht ausmachen, aber die Stadt, die im nächsten Jahr heftig unter Feuer zu leiden haben sollte, hatte in diesem Jahr von diesem Unheil sehr wenig zu spüren.
In der Tat, wenn man die Wahnsinnszustände bedenkt, in welche die Schmerzensqual die Menschen versetzte, und die vielen verrückten Dinge, welche sie, wie ich erwähnte, verrichteten, sobald man sie in ihrer Tollheit allein ließ – dann kann es einen nur sehr wundernehmen, daß es nicht mehr Unglücksfälle dieser Art gab.
Es ist mir oft die Frage gestellt worden, und ich kann leider nicht sagen, daß ich je eine treffende Antwort darauf zu geben gewußt hätte, wie es kam, daß so viele befallene Leute sich auf offener Straße sehen ließen, während doch zur gleichen Zeit Häuser, welche befallen wurden, mit solcher Wachsamkeit erfaßt und allesamt gesperrt und unter Bewachung gestellt wurden, wie es geschah.
Ich gestehe, ich weiß nicht, welche Antwort ich darauf geben soll, es sei denn die, daß es in einer so großen und dicht bevölkerten Stadt wie der unseren unmöglich war, jedes Haus, das infiziert wurde, sofort als ein solches zu ermitteln, oder alle Häuser, die infiziert wurden, zu sperren; so daß die Leute die Freiheit besaßen, auf den Straßen umherzugehen, eigentlich ohne Einschränkung, wenn sie nicht als zu dem-und-dem befallenen Haus gehörig bekannt waren.
Es ist wahr, daß, wie die verschiedenen Ärzte unserem Lordbürgermeister berichteten, die Ansteckung zu bestimmten Zeiten so rasend um sich griff und die Leute so rasch erkrankten und so schnell starben, daß es unmöglich war und schlechterdings sinnlos, von Haus zu Haus zu gehen und nachzuforschen, wer krank war und wer gesund, oder sie mit aller Genauigkeit, die die Sache erforderte, abzusperren, wo doch beinahe jedes Haus in einer ganzen Straße befallen war und vielerorts manchmal sämtliche Bewohner eines Hauses; und was noch schlimmer war, in der Zeit, bis es bekannt wurde, daß ein Haus befallen war, waren gewöhnlich die meisten der infizierten Personen bereits mausetot und die übrigen, aus Angst eingesperrt zu werden, auf und davon, so daß es wirklich nicht viel Sinn hatte, ein Haus als infiziert zu bezeichnen und es abzusperren, wenn die Seuche bereits ihr gräßliches Werk getan und von dem Hause wieder Abschied genommen hatte, bevor es sich eigentlich herausgestellt hatte, daß die Familie überhaupt in Mitleidenschaft gezogen worden war.
Dies sollte genügen, um jeden vernünftigen Menschen zu überzeugen, daß es nicht in der Macht der Behörden lag oder durch eine noch so kluge menschliche Verfahrensweise zu erreichen war, die Ausbreitung der Seuche zu verhindern, und daß darum dieses Absperren der Häuser ein völlig unzureichendes Mittel zu diesem Zweck war. In der Tat schien es in gar keiner Weise zum Gemeinwohl etwas beizutragen, das gleichgekommen wäre oder in einem Verhältnis gestanden hätte zu der schmerzlichen Last, die es den einzelnen Familien, die so eingesperrt wurden, auferlegte; und soweit ich von der Öffentlichkeit angestellt wurde, diese harte Maßnahme zu leiten, fand ich häufig Gelegenheit zu sehen, daß sie außerstande war, ihrem Zweck zu dienen. Zum Beispiel, wenn ich, wie man es von mir wünschte, als Visitator oder Gesundheitsinspektor bei den einzelnen Familien, welche infiziert waren, nähere Nachforschungen anstellte, kamen wir selten zu einem Haus, wo die Pest sichtbarlich aufgetreten war, ohne daß einige aus der Familie sich bereits auf und davon gemacht hatten. Die Behörden pflegten dies zu verübeln und den Gesundheitsinspektoren vorzuwerfen, sie seien bei ihren Inspektionen und Prüfungen zu lax. Dabei waren die Häuser infiziert, lange bevor man es erfuhr. Nun hatte es mir, nachdem ich erst die Hälfte der mir bestimmten Zeit, welche zwei Monate war, in diesem gefährlichen Amt gewesen war, genügt, um zu der Einsicht zu gelangen, daß wir auf keine andere Art imstande waren, zur Kenntnis des wahren Zustands einer Familie zu kommen, als entweder an der Tür oder bei den Nachbarn nachzufragen. Was nun die Möglichkeit betrifft, in jedes Haus hineinzugehen und es zu
Weitere Kostenlose Bücher