Die Pest Zu London
nämlich, daß die Infektion sich unmerklich fortpflanzte und zwar durch solche Personen, die nicht sichtbarlich befallen waren und die weder wußten, wen sie ansteckten, noch von wem sie angesteckt worden waren.
Ein Haus in Whitechapel war um einer erkrankten Magd willen geschlossen worden, die nur Flecken hatte, die Anzeichen waren bei ihr noch nicht hervorgetreten, und sie wurde gesund; doch diese Leute erhielten nicht die Erlaubnis, sich hinauszurühren, weder um Luft zu schöpfen, noch um sich Bewegung zu verschaffen, vierzig Tage lang. Mangel an frischer Luft, Furcht, Zorn, Streitereien und all die anderen kummervollen Begleiterscheinungen solch einer ärgerlichen Behandlung stürzten die Dame des Hauses in ein Fieber, und Visitatoren kamen ins Haus und sagten, es sei die Pest, obwohl die Ärzte erklärten, sie sei es nicht.
Jedoch die Familie wurde gezwungen, ihre Quarantäne von neuem zu beginnen, nur auf den Bericht des Visitators oder Gesundheitsinspektors hin, obwohl an ihrer vorigen Quarantäne nur noch wenige Tage bis zum Ende fehlten. Dies bedrückte sie so mit Zorn und Gram und schränkte sie räumlich so sehr, wie auch schon vorher, ein, und dazu dieser Mangel an frischer Luft zum Atmen, daß die meisten der Familie krank wurden, der eine an diesem Gebrechen, der andere an jenem, in der Hauptsache an Skorbut-Krankheiten; nur einer bekam eine heftige Kolik; bis, nach mehreren Verlängerungen ihrer Quarantäne, irgend jemand, der mit den Visitatoren, als sie die Kranken inspizieren kamen, mitging, in der Hoffnung, ihre Freigabe zu erwirken, die Pest ins Haus mitbrachte und sie alle ansteckte, und die meisten von ihnen starben, nicht als hätten sie schon vorher die Pest gehabt, sondern weil ihnen Menschen, die sie mit aller Vorsicht davor hätten schützen sollen, die Pest ins Haus brachten. Und so etwas geschah häufig, und es war in der Tat eine der schlimmsten Folgen des Absperrens von Häusern.
Mir wurde um diese Zeit ein kleines Ungemach auferlegt, das mich zuerst sehr besorgt und bekümmert machte, mich jedoch, wie sich herausstellte, keinem großen Unheil aussetzte; und das war, daß ich von dem Stadtrat von Portsoken Ward zu einem der Gesundheitsinspektoren für die Häuser meines Reviers ernannt worden war. Wir waren eine große Pfarre und hatten nicht weniger als achtzehn Gesundheitsinspektoren, wie unsere amtliche Bezeichnung lautete; die Leute nannten uns Visitatoren. Ich bemühte mich mit allen Kräften, von einer solchen Ernennung freizukommen, und brachte bei des Stadtrats Stellvertreter viele Gründe vor, um mich auszureden; insbesondere führte ich an, daß ich ganz gegen das Absperren der Häuser eingestellt sei und daß es eine große Härte sein würde, mich in den Dienst einer Sache zu zwingen, die meiner Anschauung zuwiderlaufe und von der ich ernstlich glaubte, daß sie dem Zweck, für den sie gedacht war, nicht entspreche; aber das einzige Zugeständnis, das ich erreichen konnte, war, daß, während man gewöhnlich vom Lordbürgermeister für die Dauer von zwei Monaten auf diesen Posten berufen wurde, ich nur auf drei Wochen verpflichtet sein sollte, ihn auszufüllen, unter der Bedingung jedoch, daß ich dann einen geeigneten Stellvertreter fände, der die übrige Zeit für mich ableistete, und das war, kurz gesagt, ein sehr geringes Entgegenkommen, da es sehr schwer war, irgend jemand dazu zu bringen, ein solches Amt anzunehmen, der auch fähig war, damit betraut zu werden.
Das Absperren der Häuser hatte allerdings eine Wirkung, die, dessen bin ich mir bewußt, von Bedeutung war, nämlich daß auf diese Weise die befallenen Leute festgehalten wurden, die sonst große Unruhe und Gefahr gebracht hätten, indem sie mit der Krankheit im Leibe in den Straßen umhergelaufen wären, und das hätte sich, wenn sie erst im Delirium waren, auf das furchtbarste ausgewirkt, wie sich zu Anfang schon sehr deutlich zeigte, bevor sie noch so festgehalten wurden; ja, so rückhaltlos waren sie damals, daß sie, wenn sie arm waren, herumgingen und an den Haustüren bettelten und erklärten, sie hätten die Pest, und um Lappen baten, um sich zu verbinden, oder was ihnen sonst im Zustand des Deliriums einfiel.
Eine unglückselige vornehme Dame, die Frau eines begüterten Bürgers, wurde (wenn die Geschichte wahr ist) von einem dieser Menschen auf der Aldersgate Straße ermordet, oder dort herum. Er ging, zweifellos völlig von Sinnen, die Straße entlang und sang; die Leute meinten, er sei nur
Weitere Kostenlose Bücher