Die Pest Zu London
sie mit Hab und Gut und Familie wieder zurückzugehen zwang; und die Landbewohner fühlten sich überrumpelt von den Städtern, die gewissermaßen bei ihnen einbrachen, ohne viel zu fragen, und beschwerten sich nun, die Pestkranken seien nicht nur rücksichtslos gegen andere gewesen, sondern hätten es sogar darauf abgesehen, sie anzustecken; keines von beiden war wirklich war, das heißt, jedenfalls nicht so, wie man es ausmalte.
Es spricht zwar manches für den Alarm, der auf dem Land häufig gegeben wurde, daß die Leute Londons entschlossen seien, mit Gewalt herausgezogen zu kommen, nicht nur um sich zu sättigen, sondern um zu plündern und zu rauben; oder wenn es hieß, sie liefen ohne jede Kontrolle mit der Pest im Leibe auf den Straßen herum; und niemand sorge dafür, daß Häuser gesperrt würden, um die Kranken zu hindern, die Gesunden anzustecken; während man doch, um den Londonern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sagen muß, daß nichts von alledem vorgekommen ist, außer in solch besonderen Fällen wie ich oben erwähnte, oder in ähnlichen. Es wurde vielmehr alles mit solcher Sorgfalt geregelt, und unter der Obhut des Lordbürgermeisters und der Stadträte, in den Außenbezirken der Friedensrichter und Gemeindevorsteher usw., wurde in Stadt und Vororten so mustergültig Ordnung gehalten, daß London allen Städten der Welt ein Vorbild sein kann für die gute Regierung und die ausgezeichnete Ordnung, die überall aufrechterhalten wurde, auch zu der Zeit des heftigsten Wütens der Seuche und als die Leute in der äußersten Bedrängnis und Bestürzung waren. Aber hierüber werde ich an gegebener Stelle sprechen.
Eines, das muß bemerkt werden, war hauptsächlich der Klugheit der Behörden zu verdanken und sollte zu ihren Ehren erwähnt werden, nämlich die Mäßigung, die sie bei der großen und schwierigen Aufgabe des Absperrens der Häuser übten. Es ist wahr, das Absperren der Häuser war, wie ich schon sagte, ein Gegenstand großen Unmuts, und ich kann sagen, zu der Zeit der einzige Gegenstand des Unmuts unter den Leuten; denn das Einschließen der Gesunden im gleichen Haus mit den Kranken wurde als eine fürchterliche Maßnahme angesehen, und die Klagen der so Eingeschlossenen waren sehr belastend. Man konnte sie bis auf die Straße hören, und manchmal waren sie so, daß sie Empörung auslösten, wenn auch häufiger Mitgefühl. Es gab für sie keine andere Möglichkeit, mit einem ihrer Freunde zu sprechen, als vom Fenster aus, und dort erhoben sie dann ein so eindringliches Wehklagen, daß sie denen, mit denen sie sprachen, oft das Herz bewegten, und auch anderen, die im Vorbeigehen von ihrem Leid hörten; und da diese Klagen sich oft gegen die Starrköpfigkeit, und oft Unverschämtheit der Wachmänner richteten, die vor ihrer Tür postiert waren, so fiel die Antwort dieser Wachmänner anzüglich genug aus, und die Leute, die von der Straße zu den besagten Familien sprachen, konnten auf Beleidigungen gefaßt sein; dafür und für ihre Schikanen gegen die Familien sind sieben oder acht von ihnen, glaube ich, an verschiedenen Orten umgebracht worden; ich weiß nicht, ob ich sagen soll: ermordet worden oder nicht, denn ich kann auf die einzelnen Fälle nicht eingehen. Zwar waren diese Wachmänner im Dienst und versahen den Posten, auf den sie von einer gesetzlichen Autorität gestellt worden waren; und einen öffentlichen Ordnungsbeamten bei der Ausübung seines Dienstes zu töten, wird, in der Sprache des Rechtes, immer Mord genannt. Aber sie waren ja durch die obrigkeitliche Bestallung oder durch den Auftrag, unter dem sie handelten, nicht berechtigt, zu den Leuten, die unter ihrer Bewachung standen, oder zu irgend jemand, der sich um sie kümmerte, beleidigend und ausfällig zu sein; so konnte man, wenn sie das taten, sagen, das waren sie selbst und nicht ihr Amt, sie handelten als private Personen, nicht als öffentliche Bedienstete; und, folgerichtig, wenn sie sich durch so ungehöriges Benehmen etwas zuschulden kommen ließen, so fiel diese Schuld auf ihr eigenes Haupt; und sie hatten in der Tat so sehr die empörten Flüche des Volkes auf sich geladen, ob verdient oder nicht, daß, was immer ihnen zustieß, sie niemand bemitleidete und jedermann geneigt war zu sagen, es geschehe ihnen recht, was es auch war. Auch kann ich mich nicht entsinnen, daß je einer für das, was den Wachmännern bei den Häusern angetan wurde, bestraft worden wäre, jedenfalls nicht so, daß es der Rede wert
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