Die Pestärztin
unterhält einen Buhlen!«, sagte er streng. »Und er muss ihr lieb und teuer sein - sie kam heute schon zum dritten Mal in nicht ganz zwei Monaten. Jedes Mal mit dem erlesensten Schmuck. Ihr Gatte muss ein hoher Herr sein und sie außerordentlich schätzen. Auf jeden Fall hat er ihr ein Vermögen an Edelsteinen geschenkt. Und nun wandert das alles in die Kassen irgendeines Gauners, der gut zu küssen versteht!«
»Aber das weißt du doch gar nicht«, meinte Lucia verwirrt. Die Frau hatte eigentlich keinen leichtfertigen Eindruck gemacht. »Vielleicht ist es etwas ganz anderes ... vielleicht ist ihr Mann auf einem Kreuzzug verschollen, und ein Sultan fordert Lösegeld, oder ...«
Levin lachte schallend. »Da hat aber jemand Ritterromane gelesen, nicht wahr, meine Kleine? Kein Wunder, dass du romantische Träume hegst und dich nicht entscheiden kannst, eine wohl überlegte Ehe einzugehen! Aber glaub mir, wenn die Dame einen ehrenvollen Anlass hätte, sich Geld zu borgen, käme sie nicht vermummt wie eine Maurin in eine Pfandleihe! Mal ganz abgesehen davon, dass sich zurzeit niemand aus Bayern auf einem Kreuzzug befindet, Gott sei gedankt! Solche Unternehmungen finanzieren die hohen Herren nämlich stets mit Krediten von >ihren Juden<, und das Geld sieht die Gemeinde niemals wieder. Nein, nein, Lea, das vergiss mal rasch! Die Frau ist nicht koscher! Und sie wird ihre Pfänder niemals auslösen - ebenso wenig, wie sie ihren Schmuck noch lange brauchen wird. Wenn ihr Gatte sie erwischt, endet sie im Kloster!«
6
A ls die geheimnisvolle Frau das nächste Mal in die Pfandleihe kam, war Lucia allein dort. Sie beschäftigte sich damit, die Pfänder abzustauben, langweilte sich dabei aber nach Kräften. Die Kundin bot eine willkommene Abwechslung.
Lucia grüßte also höflich und erfreut, und auch die Dame schien erleichtert, es diesmal mit einer Frau und nicht mit dem bärbeißigen Zacharias zu tun zu bekommen. Lucia hatte Zeit, sie genauer zu mustern, aber viel kam dabei natürlich nicht heraus. Die Frau trug schließlich wieder einen Schleier, aber diesmal ließ er immerhin einen Schlitz für die Augen frei. Sanfte braune Augen mit langen Wimpern. Lucia mochte darin keine Lüsternheit und Berechnung erkennen, höchstens Angst. Ansonsten schien sich ein schlanker Körper unter dem weiten, dunklen Mantel zu verbergen, den die Frau übergeworfen hatte. Die Fremde war größer als Lucia und hielt sich sehr gerade.
»Wenn Ihr mir dies hier versetzen könntet«, sagte sie mit wohl modulierter Stimme. »Ich wäre Euch sehr dankbar. Es ist reines Gold, das schwöre ich, und die Steine sind Rubine ...«
Die Frau zog einen Stirnreif aus der Tasche, einen Schepel, wie adlige Mädchen ihn im offenen Haar, verheiratete Frauen meist über dem Gebände oder sonstigem Kopfschmuck trugen.
»Er ist wunderschön!«, bemerkte Lucia, obwohl Levin ihr eingeschärft hatte, sich mit Begeisterungsbekundungen vor Kunden tunlichst zurückzuhalten. Das schürte nur unverhältnismäßige Erwartungen. »Warum wollt Ihr ihn hergeben?«
Lucia biss sich auf die Lippen. »Oh, verzeiht mir, ich wollte nicht neugierig sein.«
In den dunklen Augen der Frau standen Tränen. »Ich will nicht, ich muss. Dabei ist es ein Erinnerungsstück. Mein Vater hat es mir geschenkt, bevor ich ... als ich ... Nun, wie auch immer, es ist ein Reif für ein junges Mädchen, ich trage ihn nicht mehr. Was könnt Ihr mir dafür geben?«
Lucia überlegte. »Ich biete Euch eine Mark«, erklärte sie.
Zacharias würde sie dafür umbringen! Natürlich war auch dieses Stück wesentlich mehr wert, aber man würde einen Zwischenhändler brauchen, um es zu Geld zu machen. In Landshut kaufte das niemand; Bürgermädchen durften solchen Schmuck nicht tragen.
Die Frau nickte. »Das ist großzügig«, erklärte sie. »Ich ... ich war schon in anderen Pfandleihen, weil ... also das letzte Mal ... mit der Kette ...«
»Die Kette hat mein Onkel vielleicht ein wenig unterbewertet«, räumte Lucia ein. »Aber er ist ein ehrlicher Mann. Er hat seine Gründe, wenn er nicht mehr bietet.«
Die Frau nickte. »Die Gebote der anderen für dieses Geschmeide waren weitaus niedriger. Ich bin Euch sehr zu Dank verpflichtet!«
Lucia zuckte die Achseln. »Das solltet Ihr so nicht sagen«, verriet sie der Frau. »Ihr müsst härter werden und lernen, mit den Pfandleihern zu handeln, wenn Ihr ... also, wenn Ihr öfter ...«
Sie wurde rot. Der Frau schien es nicht anders zu gehen.
»Wir
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