Die Pestärztin
führten.
»Ist das ein Anblick!«
»Die schönste Braut, die ich jemals gesehen habe! Bis auf meine Rebecca natürlich!« Hannah klatschte in die Hände, und alle Frauen begannen, ein Hochzeitslied für Lea zu singen.
Lucia rührte ihr Eifer. Ob sie es wirklich fertigbrachte, gleich all das zu zerstören?
»Jetzt nur noch der Schleier!« Judith Kahlbach machte sich mit der blauen Gaze an Lucias Haar zu schaffen, aber dann öffnete sich die Tür. Daphnes aufgeregtes Gesichtchen schob sich durch den Türspalt.
»Lea? Ich sollte dir doch Bescheid sagen. Reb Abraham ist eben eingetroffen. Und er kennt die Andalusier! Denk dir, er begrüßt Reb Tibbon wie einen alten Freund!«
Lucia riss sich von ihren Helferinnen los.
»Verzeiht mir bitte, aber ...« Sie nahm sich keine Zeit für weitere Erklärungen. Stattdessen lief sie die Treppe hinunter; der Festsaal der Levins lag im Erdgeschoss und diente gewöhnlich als Remise. Sie dachte nicht groß darüber nach, was sie tun würde. Wenn sie Abraham sah, würden ihr die richtigen Worte schon einfallen.
Aus dem Augenwinkel erkannte sie bestürzte Gesichter, als sie die Tür aufriss und in den Saal stürmte.
»Die Braut ... aber sie ...«
Wortfetzen. Lucia beachtete sie nicht. Dabei war die Hochzeitsgesellschaft bereits fast vollständig.
Aber da stand Abraham mit Tibbon und Yakov ibn Aron. Die drei unterhielten sich in fließendem Arabisch. Und Lucia brauchte nicht einmal Fragen zu stellen. Die wenigen Worte des Gesprächs, die sie anhörte, während sie um Fassung rang, genügten.
»Du hast also guten Profit gemacht, bei deiner Reise in unser Land, Abrahem ibn Daud. Das freut mich!«, erklärte Tibbon gerade. »Aber was war das für eine Geschichte mit diesem angeblich gekaperten Schiff? Vor Murcia wurde seit Monaten kein Schiff mehr gekapert.«
»Das würde ich auch gern wissen!«, rief Lucia in ihrer eigenen Sprache. Glutrot vor Wut baute sie sich vor Abraham auf. »Sag es vor all diesen Leuten hier, Abraham von Kahlbach! Was war mit diesem Schiff? Und wo ist das Geld, das du mir schuldest?«
Abraham erblasste.
»Lea ... «, flüsterte er.
Und dann erhob sich eine andere Stimme, weiter vorn im Saal, neben dem Hochzeitsbaldachin, wo gewöhnlich die engsten Verwandten von Braut und Bräutigam der Trauung beiwohnten.
»Das ist nicht Lea!«
Lucia fuhr herum.
Neben Zacharias Levin stand David von Speyer.
Lucia von Bruckberg
L ANDSHUT 1349
1
L ucia irrte durch die Stadt, das Kind Leona an sich gedrückt. Sie wusste nicht, wie lange sie schon durch die schmalen Straßen von Landshut lief, darunter durch Gassen, die sie nie zuvor gesehen hatte. Ihre Stadt war schließlich das Judenviertel gewesen.
Irgendwann fand sie sich am Ufer der Isar wieder, saß auf einer Kaimauer und starrte stundenlang tränenlos auf den Fluss.
Was sollte sie anfangen? Wie sollte es weitergehen? Außer den Kleidern am Leib und dem Kind auf ihrem Arm hatte sie nichts - weniger als damals auf der Flucht aus Mainz.
Dabei waren die Juden noch gnädig gewesen. Zumindest nahm Lucia das an. Sie hatte keine Ahnung, welche Strafen die Kirche für eine Christin vorsah, die sich als Jüdin ausgegeben hatte. Wäre es nach den Levins und den Kahlbachs gegangen, hätte man sie an den Pranger gestellt, wenn nicht gar Schlimmeres, doch die Juden in Landshut waren nahezu rechtlos. Wahrscheinlich würde die Obrigkeit eher über sie lachen, als ihnen ein Urteil über eine christliche Frau zuzugestehen. Insofern war man übereingekommen, Lucia einfach gehen zu lassen. Das kam ohnehin einer Verbannung in die Hölle gleich. Eine mittellose Frau mit einem Kind hatte keine Chance, ihr Geld auf ehrliche Weise zu verdienen.
Lucia sah die Gesichter der Hochzeitsgesellschaft noch vor sich, als David die verhängnisvollen Worte in den Raum warf. Die verwirrten Gesichter der Gäste, die verständnislosen Mienen der Männer aus Granada - und das schiere Entsetzen und die Scham in den Augen der Kahlbachs und Levins. Um ein Haar hätte sich Abraham von Kahlbach, Stütze der jüdischen Gemeinde von Landshut, mit einer betrügerischen Christin vermählt! Und Zacharias Levin, Mitglied im Judenrat, hätte sie ihm zugeführt!
Abrahams eigene Verfehlungen waren darüber natürlich vergeben und vergessen. Wahrscheinlich würde man sein Verhalten noch als Gottes Fügung ansehen; ohne Lucias peinlichen Auftritt wäre die Trauung vollzogen worden, bevor David den Betrug entdeckte. Und auch Davids überraschendes
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