Die Pestärztin
aus Granada, der Hauptstadt des Emirates. Auch Al Shifa hatte von dem Glanz dieser Stadt erzählt, und Yakov und Tibbon wussten die Alhambra, den Königspalast, die Märkte und Paläste detailliert zu schildern. Die Männer waren jetzt auf dem Weg nach Regensburg zur Frühjahrsmesse, wollten später aber auch andere wichtige Handelsstädte besuchen.
»Wir haben uns auf mechanische Instrumente spezialisiert, Astrolabien, Kompasse, Zeitmesser. Danach besteht hierzulande noch wenig Nachfrage. Wir wollen unsere kleinen Wunderwerke auf ein paar Messen vorführen, um Käufer dafür zu begeistern«, erklärte Tibbon. »Und mein Bruder träumt davon, hier endlich das Papier in größerem Umfang einzuführen. Die Familie seiner Frau hat eine Papierschöpferei. Man benutzt es zum Schreiben, anstelle von Pergament ...«
Lucia nickte stolz. »Oh, ich kenne Papier! Ich habe in Mainz welches gekauft. Und ich besaß einmal Handschriften, die darauf niedergelegt waren. Das Handbuch des Ar-Rasi ...«
Yakov lächelte und griff in seinen weiten Mantel. Gleich darauf beförderte er sein eigenes Exemplar des Reisehandbuches hervor.
»Du bist eine kluge und gebildete Frau, Lea al Magentia«, meinte er freundlich. »Dein künftiger Gatte kann sich glücklich schätzen. Es wird uns eine Freude sein, deiner Hochzeit beizuwohnen. Morgen ist der große Tag?«
Zacharias hatte die Gäste sofort eingeladen, als er sie in sein Haus aufnahm.
Lucia nickte und dankte Ibn Aron mit verlegenem Lächeln. Dann kam ihr ein Gedanke. Abraham Kahlbach hatte schon viele Reisen in die Heimat dieser Männer gemacht. Womöglich kannten sie ihn! Lucia ertappte sich bei dem Wunsch, die maurischen Juden nach Abraham auszuhorchen. Doch sie wagte nicht, sie einfach darauf anzusprechen. Es war sicher nicht schicklich, mit Wildfremden über ihren künftigen Gatten zu plaudern.
Aber dann war es unversehens Zacharias Levin, der Kahlbachs Namen ins Gespräch brachte. Auf der Suche nach Themen, mit denen er die fremden Hausgäste unterhalten konnte, erwähnte er Abrahams Handelsreisen.
»Mein künftiger Schwiegersohn ... oder nein, verzeih, Lea, ich müsste ›Schwiegerneffe‹ sagen, aber Lea ist für uns längst wie eine Tochter ... war oft in Al Andalus«, erklärte er. »Vielleicht kennt Ihr ihn sogar, er ist erst vor wenigen Wochen von einer Reise zurückgekehrt. Abraham Kahlbach ...«
Lucia übersetzte. Eingebettet ins Arabische, klang der Name seltsam fremd. Yakov und Tibbon schienen dies ebenfalls zu empfinden. Sie wiederholten die Worte mehrmals und schienen sie auf ihren Zungen herumzurollen.
»Abrahem Kahl ... Wie heißt denn sein Vater, Sayyida? Und wo hat er Handel getrieben?« Tibbon nahm sich noch etwas von dem Hammelragout, das Hannah wegen der orientalischen Gäste fast zu stark gewürzt hatte. »Dieses Fleisch ist vorzüglich, eine ganz andere Zubereitung, als wir es gewöhnt sind.«
»Ich erinnere mich an einen Abrahem ibn Daud aus dieser Gegend. Aber das ist Jahre her«, überlegte Yakov, der ältere Bruder. »Ein großer, dunkelhaariger Mann, älter als du, Sayyida, wenn du die Bemerkung gestattest. Er war einmal bei unserem Vater zu Gast, als er seine Frau heimführte. Also kann es eigentlich nicht dein Verlobter gewesen sein.«
»Aber Abrahams Vater heißt David!«, meinte Lucia. »Und seine erste Frau war Orientalin ... Batya ...«
Yakov runzelte die Stirn. »Ja, kann sein, dass sie so hieß. Ich habe es mir nicht gemerkt, das ist um die zehn Jahre her, ich war fast noch ein Knabe. Und sie ging völlig verschleiert, nicht einmal im Haus zeigte sie ihr Gesicht. Nur ihr Mann sollte sie sehen. Ich dachte damals noch, mir würde eine so schüchterne Frau nicht gefallen. Aber das ist wohl Geschmackssache.«
»Abrahem ibn Daud treffe ich öfter«, erklärte Tibbon. Er war wohl eher der Händler in der Familie, während Yakov sich mehr für die Technik ihrer Waren begeisterte und häufiger als Einkäufer in den Manufakturen zu finden war als auf den Märkten. »Alle paar Monate oder Jahre in Al Mariya oder auch an der Afrikanischen Küste. Zuletzt an der Levante, erst vor wenigen Wochen. Er reist dort oft herum, kennt sich gut aus! Er spricht auch unsere Sprache.«
Lucia wunderte sich. Sie hatte Al Shifa im Gespräch mit Abraham sicher oft erwähnt und erzählt, dass sie mit ihr arabische Schriften studiert hatte. Er hatte ihr jedoch nie erzählt, dass er ebenfalls über Kenntnisse der Sprache verfügte.
»Nun, so weit scheint es mit seinem
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