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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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sich ihr als Magd anbot? Der Hof der Herzöge musste riesig sein; bestimmt gab es dort mehrere Frauen mit Kindern. Sicher, als alleinstehende Mutter war man überall verfemt, doch eine große Burg bot eher einen Unterschlupf als ein kleiner, bürgerlicher Haushalt. Zumal, wenn Elisabeth von Bayern ihre Hand über sie hielt.
    Lucia nahm den Haarreif an sich. Sie würde gleich hinauf zur Burg gehen und sich der Herzogin zu Füßen werfen. Das Geschenk würde Elisabeth gnädig stimmen, und vor allem würde es Lucia einführen. Schließlich konnte sie kaum jemanden bitten, sie der Hohen Frau als die Jüdin Lea von Speyer zu melden. Und Lucia von Mainz kannte die Herzogin nicht.
 
    Es war stockdunkel, als Lucia die Burg erreichte. Sie hoffte bloß, dass man die Zugbrücke bei Nacht nicht hochzog, doch es herrschte kein Krieg, und so würde man sich die Mühe wahrscheinlich nicht machen. Tatsächlich war der Weg frei. Allerdings bewachten vier Männer jeden Eingang zur Burg. Lucia fühlte sich an die Stadtbüttel in Mainz erinnert. Sie spürte rasende Furcht, als sie vor die Männer hin trat.
    »Ich bin Lucia von Mainz. Ich suche die ... die Köchin Anna, oder vielleicht ist sie auch Hausmagd ...«
    Die Lüge kam ihr nicht leicht über die Lippen. Aber wenn sie verkündete, die Herzogin sprechen zu wollen, würden die Männer sie nur auslachen. Und einem von ihnen den Haarreif zu zeigen, wagte sie nicht. Die Kerle konnten ihn an sich nehmen und Lucia und Leona auf ewig verschwinden lassen.
    »So spät in der Nacht? Was willst du denn von der?«, fragte einer der Männer gelassen.
    Lucia atmete auf. Also schien es eine Anna in der Küche zu geben.
    »Ich bin eine Nichte von ihr. Ich komme aus Regensburg. Mein Mann ist gestorben, und ich bin ganz allein mit meinem Kind. Die Anna ist meine einzige Verwandte. Und da dachte ich, sie findet hier vielleicht eine Arbeit für mich ...«
    Wie auf Kommando brach Leona in Tränen aus. Lucia hielt die Kleine an der Hand. Sie hatte sie fast den ganzen Weg getragen und war nun völlig erschöpft. Zu Pferd war der Weg hinauf zur Burg leicht zu bewältigen. Zu Fuß war es eine Strapaze.
    »Arbeit gibt's hier immer«, meinte der Bursche gelassen. »Und ein hübsches Ding bist du! Wart's ab, deinen Mann hast du auch bald vergessen!«
    Die Torwächter lachten dröhnend. Aber schließlich gebot ein älterer Mann ihnen Einhalt.
    »Nun lasst sie mal in Ruhe«, meinte er gutmütig. »Ihr seht doch, sie ist am Ende ihrer Kraft. Und das kleine Ding muss Hunger haben. Der ganze Weg von Regensburg ... Los, Karl, bring sie in die Küche!«
    Karl war der jüngste Wächter, kaum mehr als ein Knabe. Er verbeugte sich sogar kurz vor Lucia, ehe er sie durchs Tor führte. Lucia wäre lieber allein gegangen. Womöglich flog ihre Tarnung auf, wenn sich nun doch keine Anna in der Küche fand - oder wenn sie sich zumindest an keine Nichte namens Lucia erinnerte.
    Die Küche der Burg war gewaltig. Bestimmt zwanzig Männer und Frauen schnitten Fleisch und Gemüse in Stücke, brieten ganze Schweine oder Rinderhälften am Spieß und füllten Geflügel. Lucia zählte allein fünf Feuerstellen. Ein diensthabender Koch führte die Aufsicht und begutachtete jedes Gericht, das die Küche verließ.
    Lucia lief das Wasser im Munde zusammen. Kein Wunder, hatte sie doch seit den drei Löffeln Brei am Morgen nichts gegessen. Leona sagte gar nichts. Sie schien sich im Schlaraffenland zu wähnen und blickte nur mit riesigen Augen auf all die guten Dinge, die hier zubereitet wurden.
    Außerdem hatte der Bursche Karl auch kein Interesse an Lucias weiterem Verbleib. Stattdessen umarmte er eines der Küchenmädchen von hinten und legte ihm die Hände vor die Augen. »Rate mal, wer da ist, Gretel!«
    Das Mädchen quietschte und hatte gleich darauf nur Augen für ihren Freund.
    Lucia blieb verloren inmitten des Treibens stehen.
    Schließlich geriet sie in Gretels Blickfeld.
    »Wer ist das denn?«, fragte die Kleine ein wenig eifersüchtig.
    Karl zuckte die Achseln. »Kam ans Tor. Sucht die alte Anna.«
    »Die Anna ist beim Mundschenk!«, gab einer der Köche Auskunft, der eben mit einem ganzen Spieß voller gebratener Hühner vorbeieilte. »Ihre Herrin wünscht süßen Wein, und sie ist mit ihm in den Keller, um ihn auszuwählen. Weil der Hannes ihr sonst nur die letzte Plörre unterjubelt, wie sie sagt.«
    Lucias Herz klopfte heftig. Anna schien keine untergeordnete Dienstmagd zu sein, wenn sie es wagte, dem Mundschenk des Herzogs

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