Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
sprach, würde sie ihn mit der Wahrheit konfrontieren.
    Der Auftritt würde peinlich sein. Vor allem, wenn Abraham sich doch noch als unschuldig erwies.
    Doch daran glaubte Lucia nicht. Ihr Gefühl hatte sie stets vor Kahlbach gewarnt. Manipulationen waren ihm nie fremd gewesen ...
 
    Lucia schlief kaum in der Nacht vor ihrer geplanten Hochzeit, und morgens bekam sie nur wenige Löffel von dem süßen Brei herunter, den Daphne ihr brachte.
    »Du sollst rasch etwas essen, und dann werden die Frauen dich schön machen!«, erklärte die Kleine aufgeregt. »Oh, Lea, ich habe das Kleid gesehen! Es ist unglaublich! Denkst du, Vater wird es aufheben, damit ich auch mal darin heiraten kann? Das wäre wundervoll. Du wirst so schön aussehen! Schade nur, dass Reb Kahlbach kein sooo schöner Mann ist. Wenn ich mal heirate, soll er wie ein Ritter aussehen. So wie Herr von Rennes ...«
    Die Kleine hatte ihre Schwärmerei immer noch nicht vergessen.
    »Hör zu, Daphne, du kannst mir einen Gefallen tun ...«
    Lucias Gedanken rasten. Sie hörte erst jetzt von den Plänen der Frauen, sie den ganzen Morgen in ihrer Schlafstube einzusperren. Natürlich meinten sie es nicht böse, aber sie würden Stunden brauchen, sie für die Hochzeit herzurichten. In der Zeit konnte Abraham mit den maurischen Gästen sprechen oder auch nicht. Er konnte sich eine Ausrede ausdenken, konnte versuchen, auch die Brüder von seiner Version zu überzeugen. Jeder Überraschungseffekt wurde hinfällig, wenn sie nicht gleich dazu kam, sobald er die Besucher aus Al Andalus traf. Und die Einzige, die ihr dazu verhelfen konnte, war Daphne. Das Mädchen musste nur mitspielen!
    »Daphne, ich plane eine Überraschung für Reb Abraham. Sie hängt mit unseren Besuchern aus Spanien zusammen. Kannst du sie ein bisschen beobachten und mir sagen, wann mein Verlobter eintrifft?« Eine bessere Ausrede fiel Lucia so schnell nicht ein, aber sie wusste, dass Daphne Heimlichkeiten liebte.
    »Was denn für eine Überraschung?« Aufgeregt tanzte Daphne um ihre Kusine herum. »Sag es mir doch, ich verrate auch nichts! Ach, das ist alles so aufregend! Wenn es doch nur schon meine Hochzeit wäre!«
    »Du wirst es früh genug erfahren«, beschied Lucia das Kind. »Und du wirst auch früh genug unter den Baldachin treten. Aber heute musst du für mich die Augen offen halten. Bitte, Daphnele!« Lucia sah die Kleine ernst an.
    Das Mädchen nickte.
    »Ich sag dir Bescheid«, erklärte sie gewichtig. »Aber wenn du mir deine Überraschung nicht sagst, verrate ich dir auch nicht die von meinen Eltern. Es gibt nämlich noch einen Besucher ... aber das sag ich nicht! Ich wollte es verraten, aber jetzt nicht, wo du auch so geheimnisvoll tust!«
    Lucia lächelte müde. Ein Überraschungsbesucher? Wahrscheinlich noch ein bislang unbekannter Verwandter. Wenn das bloß nicht alles in einem Eklat enden müsste! Doch falls Abraham den Betrug gestand, konnte sie ihn nicht heiraten. Das musste jeder verstehen. Und wenn er ihr das Geld zurückerstattete, brauchte sie die Bürde nicht länger zu tragen, hier unter falschen Vorzeichen zu leben.
 
    Hannah und ihre Freundinnen erschienen gleich darauf, und wie erwartet, beschäftigten sie sich endlos mit der Gestaltung von »Leas« Kleidung und ihrer Frisur.
    »Natürlich weiß dein Mann diesmal schon, wie du aussiehst, das ist ein bisschen schade«, bedauerte Moses Kahlbachs Gattin. »Zumal du so hübsch bist. Ich liebe es einfach, die Sonne auf den Gesichtern der Männer aufgehen zu sehen, wenn ihnen eine wahrhaft schöne Braut präsentiert wird! Aber das werden wir auch heute schaffen. Dein Bräutigam ... die Gäste ... allen wird der Mund offen stehen, wenn Abraham deinen Schleier hebt.«
    Traditionell wurde die Braut tief verschleiert in das Hochzeitszimmer geführt. Ihr Gesicht enthüllte sie erst nach der Trauung, für den ersten Kuss durch ihren Gatten.
    Die Frauen salbten Lucias Gesicht und ihr Haar, behandelten Letzteres mit Eigelb und wuschen die Pflege dann aus. Sie drehten das Haar zu Locken und flochten Perlenschnüre hinein.
    Dann halfen sie der jungen Frau in ihr hellblaues Unterkleid und legten das edelsteingeschmückte Obergewand bereit.
    »Vorsichtig, bringt nicht das Haar durcheinander, wenn ihr es ihr überzieht.«
    »Und Obacht mit den Steinen! Nicht dass einer abreißt.«
    Lucia fühlte sich wie eine Puppe, als die Frauen an ihr herumhantierten, sie drehten und ihre Arme vorsichtig durch die Armschlitze der vornehmen Surkotte

Weitere Kostenlose Bücher