Die Pestärztin
allerdings begrüßen.
Gisela, Ehrentraud und Gerlind erwarteten sie als Ehrenjungfrauen und kredenzten ihnen Wein zur Begrüßung. Ehrentraud ließ allerdings den Pokal fallen, als Jerome de la Bourgogne vor sie trat. Sie lief daraufhin rot an, aber der Ritter richtete sie mit ein paar freundlichen Worten wieder auf und raubte ihr zum Ausgleich einen Kuss auf die Wange. Anschließend war Ehrentraud zu keiner vernünftigen Handlung mehr fähig. Gisela hielt sich besser und schmachtete ihren Liebling nur an. Gerlind war keinerlei Anfechtungen ausgesetzt. Ihr Ehrenfried verbrachte die Nacht vor seiner Schwertleite fastend und betend in der Kapelle.
Lucia stand ein Stück hinter Elisabeth und Margarethe; als Ehrenjungfrau hatte man sie aus naheliegenden Gründen nicht eingeteilt. Während die Herzoginnen die verdientesten Ritter mit ein paar Worten oder sogar dem traditionellen Kuss ehrten, hatte Lucia hauptsächlich damit zu tun, Gunhild aufrecht zu halten. Die junge Braut erwartete, tief verschleiert, ihren künftigen Gatten und sollte ihn auch zur Begrüßung küssen. Sie fürchtete sich davor, als erwarte man von ihr, einen Drachen zu umarmen.
Zunächst jedoch erschien Conrad von Oettingen, gefolgt von einem vierschrötigen, etwas klein geratenen Ritter, der allerdings stark wie eine Bulldogge wirkte. Auch sein Gesicht erinnerte ein wenig an einen Kampfhund: Er hatte Hängebacken und kleine böse Augen. Schamlos musterte er das weibliche Begrüßungskomitee.
»Herr von Oettingen!« Die Herzoginmutter ehrte Conrad persönlich mit einem Kuss auf die Wange. »Und Wolfram Fraunberger von Prunn! Euch sieht man selten gemeinsam! Sagt nicht, Ihr habt Eure Fehde begraben?«
Herr Conrad nickte. »Das kann man so sagen. Genau genommen trafen wir bei einem Turnier aufeinander, und Herr Wolfram gewährte mir endlich die Revanche, die er mir seit Jahren schuldete!« Der Oettinger bedachte den Fraunberger mit einem Blick, als hätte eben dies die jahrelange Feindschaft der Herren ausgelöst. »Natürlich warf ich ihn vom Pferd ...«
»Aber ich besiegte Euch im Schwertkampf!«, erklärte die Bulldogge.
»Mein Holzschwert brach ...«
»Der Kampf wurde letztlich für unentschieden erklärt. Wir leerten einen Krug Wein zusammen und fanden, dass uns mehr eint als trennt«, erläuterte der Fraunberger schließlich.
Herr Conrad nickte.
Lucia konnte das recht gut nachvollziehen. Die Ritter waren zweifellos von gleichem Schlag, rotgesichtig, feist, aber gefährlich wie Löwen, wenn ihnen jemand in die Quere kam. In Erfüllung ihrer Pflicht trat sie vor, um ihren Onkel zu küssen und ihm Wein zu kredenzen. Conrad nahm einen kräftigen Schluck.
Lucia reichte auch dem Fraunberger den Pokal.
Der trank ebenso gierig.
»Und? Wo bleibt der Kuss?«, fragte Conrad, als Lucia sich zurückziehen wollte. »Willst du meinen Freund brüskieren?«
Lucia wurde rot, platzierte dann aber brav einen leichten Kuss auf die raue Wange des Fraunbergers.
»Na, hab ich zu viel versprochen?« Conrad lachte und rieb sich die Hände, als die Ritter sich schließlich in den großen Saal verzogen. Lucia schüttelte sich. An diese Sitte der Adligen würde sie sich nie gewöhnen! Eine gute Bürgersfrau küsste nur einen: ihren Gatten.
Aber dann vergaß sie Wolfram von Fraunberg, als eine kleine, eiskalte Hand nach ihr griff. Gunhild von Hälsingborg zitterte unkontrolliert. Sie schien etwas sagen zu wollen, brachte aber kaum mehr als ein Stammeln heraus.
Lucia blickte um sich. Sie erwartete, einen hünenhaften, blonden Wikinger am Eingang der Halle zu sehen, aber anscheinend war es nicht Birger von Skaane, der Gunhild in diesen Zustand versetzte.
Stattdessen war nur eine Gruppe fahrender Ritter eingetreten, und einer, ein dunkelhaariger, schöner junger Mann mit tiefblauen Augen und sensiblen Zügen, nahm lächelnd den Begrüßungstrunk aus Giselas Hand entgegen.
»Ist das ...?«
Gunhild nickte atemlos. »Ich hätte nie gedacht, dass er herkäme. Er wusste doch, dieses Jahr ... Die Herzogin hatte ihn weggeschickt ...«
Allerdings kaum vom Hof verbannt! Tatsächlich begrüßte Elisabeth den jungen Ritter sogar herzlich.
»Bernhard von Paring! Der schönste unserer jungen Ritter! Ich freue mich, Euch wohlauf zu sehen. Und auch kostbar gekleidet, Ihr versteht Euch beim Turnier zu schlagen. Oder habt Ihr gar in einem Krieg gekämpft und ein Lehen erworben?«
Bernhard lächelte. »Noch nicht, Frau Elisabeth. Aber meine Aussichten stehen nicht schlecht.
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