Die Pestärztin
Namen zu machen, als Turniere.
Vorerst demonstrierten die drei Landesherren jedoch Harmonie und standen den Übungen der Ritter abwechselnd vor. Auch sollte wieder ein Turnier veranstaltet werden, diesmal etwas später im Jahr. Frau Margarethes Mädchen konnten sich vor Aufregung darüber kaum fassen.
Nur Gunhild schien es in tiefste Verzweiflung zu stürzen. Als Lucia eines Nachts erwachte und sie nicht im Bett fand, machte sie sich besorgt auf die Suche. Schließlich entdeckte sie das Mädchen auf den Zinnen der Burg. Gunhild trug nur ein zartes Leinenhemd; ihr hüftlanges, lichtblondes Haar wehte im Wind wie ein stolzes Banner.
»Was machst du denn hier?«, fragte Lucia entsetzt. »Die Wächter kommen alle paar Stunden hier vorbei! Sollen sie dich so sehen?«
»Bis dahin wird es längst vorbei sein!«, sagte Gunhild wild. »Ich ... ich wollte nur noch ...« Sie ließ offen, was sie bislang davon abhielt, ihre Pläne wahr zu machen, aber Lucia bemerkte zu ihrem namenlosen Schrecken, dass sie auf der Wehrmauer stand, zwischen zwei Zinnen. Nichts trennte sie von dem Abgrund. Wenn sie sprang, würde sie mehr als hundert Ellen in die Tiefe stürzen.
Lucia erkannte Tränen in ihrem bleichen, schmalen Gesicht. Im Mondlicht sah Gunhild aus wie eine Gestalt aus den nordischen Sagen, von denen sie manchmal erzählte, um die Mädchen beim Sticken zu unterhalten.
»Komm da sofort runter, Gunhild! Wie kannst du an so etwas auch nur denken!« Lucia wusste, dass sie eher trösten als schelten sollte, aber irgendwie drang sie trotzdem zu Gunhild durch.
»Weil's eine Sünde ist, meinst du?«, fragte das Mädchen mit einer Art Lachen. »Wenn's danach geht, so bin ich längst verdammt! Und warum soll ich die Hölle fürchten? Einen warmen Ort, vom Feuer erhellt? Kennst du die Burgen in meiner Heimat? Das halbe Jahr hindurch ist es dunkel und kalt. Und Birger, mein Ritter? Der hält mich nicht warm, der lässt mich erfrieren unter seinem Blick. Jetzt schon. Und dabei weiß er noch gar nicht ...«
Gunhild brach erneut in Tränen aus, aber sie verlor dabei zumindest die Spannung, die sie aufrecht und Lucia auf Abstand gehalten hatte. Lucia trat auf sie zu, stützte sie und half ihr von der Mauer herunter.
»Deine Vermählung ist also anberaumt?«
Gerlind nickte schluchzend. »Birger Knutson von Skaane kommt zum Turnier. Wir werden die Eide gleich hier im Kreis der Ritter schwören. Und dann ... vielleicht bringt er mich ja um, Lucia, dann hätte ich es wenigstens hinter mir ...«
Lucia wusste längst, dass Frau Margarethes Mädchen keine Ahnung davon hatten, was in der Hochzeitsnacht auf sie zukam. Für sie war das überraschend. Als Stadtkind war sie häufig auf Pärchen gestoßen, die sich auch durch die Nachtwache nicht davon abhalten ließen, es auf den Straßen zu treiben, wenn das Verlangen sie überkam. In der Nähe der Schenken hatten sich auch Huren verkauft, die sich mit ihren Freiern wohlweislich nicht zu weit aus dem Schein der nächsten Lampe zurückzogen. Schließlich wollten sie am Ende ihr Geld, kein Messer zwischen die Rippen!
Und auch auf der Burg ging es nicht allzu prüde zu, nach dem, was Anna erzählte. Aber Gisela, Gerlind und Ehrentrud waren schon als Kinder an Frau Margarethes Hof gekommen und von da an von allem abgeschirmt worden. Gunhild allerdings ... sagte Anna nicht, sie hätte den Minnehof noch miterlebt?
»Schau, Gunhild, viele Frauen heiraten Männer, die sie nicht lieben«, setzte Lucia an. »Und die Hochzeitsnacht ist kein Vergnügen für sie. Aber man stirbt auch nicht gleich daran. Soll ich dir erzählen, was dabei vorgeht?«
Gunhild lachte bitter und unter Tränen. »Ich weiß, was dabei vorgeht, Lucia. Ich weiß es nur zu gut. Das ist ja meine Sünde. Obwohl ich sie nicht als solche erkennen kann. Ich habe Bernhard von Paring geliebt! Über alles. Ich erinnere mich jetzt noch an jede Berührung von ihm, jedes Wort. Er war so schön, so sanft ... und natürlich hätte ich es nicht tun sollen. Frau Elisabeth warnte die Ritter immer vor zu jungen Minneherrinnen. Es sollte nicht in fleischliche Liebe ausarten. Aber es ist passiert. Und nun wird kein Blut auf dem Laken sein, nachdem ich meinem Gatten zu Willen war.«
Lucia wusste nicht, welcher Trost hier angebracht war, aber immerhin gelang es ihr, das inzwischen zitternde und immer noch weinende Mädchen zurück in seine Kemenate zu lotsen. Sie fand sogar noch einen Rest geklärten Wein. Dieses aus Weißwein, Gewürzen und Honig
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