Die Pestärztin
Treffens«, einen vierschrötigen Jungen, der wahrscheinlich nur deshalb gewonnen hatte, weil er größer war als alle anderen, mit einem winzigen Kuss auf den Mund belohnt hatte - wurden die Kämpfe interessanter.
Zwar stritten auch jetzt die jüngeren Ritter, aber es ging doch schon um den Gesamtsieg. Die besten Kämpfer würden morgen und übermorgen auf erfahrenere Ritter treffen. Zudem waren Jerome de la Bourgogne und Bernhard von Paring auch keinesfalls Anfänger. Beide Ritter schlugen sich vorzüglich. Und dann sorgte um die Mittagszeit, als die Damen und andere Ehrengäste sich in einem Zelt erfrischten, ein weiterer junger Ritter für eine Überraschung. Lucia war der hochgewachsene, muskulöse Jüngling vorhin schon aufgefallen. Sein fast weißblondes Haar und seine leuchtend blauen Augen ließen sie vermuten, einen Dänen oder Norweger vor sich zu haben, aber Gunhild kannte ihn nicht. Der junge Ritter erwarb sich jedoch schnell die Zuneigung der Damen, indem er fröhlich und unbekümmert zu ihnen hinüber lachte und sogar winkte. Letzteres war dreist, doch Gisela, die vergnügt zurückwinkte, konnte es erklären.
»Das ist Dietmar, mein Bruder!«, verriet sie ihren Freundinnen. »Sieht er nicht wunderbar aus? Er ist nicht der Älteste, aber er wird ein Lehen bekommen, wir haben ja viel Land. Allerdings sagt er, das ließe sein Stolz nicht zu. Er will Abenteuer erleben und sich selbst seinen Platz im Leben erobern! Nun zieht er herum und bestreitet Turniere. Meist siegt er!«
Dietmar war unbestreitbar tollkühn. Nur wenige Ritter zogen ohne Not umher und bestritten ihren Unterhalt aus Preisgeldern. Doch für den hübschen Ritter aus Thüringen, dessen gebräuntes Gesicht nur aus Lachfältchen zu bestehen schien, war das Leben ein Spiel. So kämpfte er auch. Er schickte seine Gegner reihenweise und wie beiläufig in den Sand, oder besser in den Morast. Sein eher kleiner Scheckhengst schien das genauso vergnüglich zu finden wie sein Reiter.
Doch als Dietmar um die Mittagszeit zu Lucia trat, wirkte er gar nicht mehr so selbstbewusst. Beinahe ein wenig scheu verbeugte er sich vor ihr.
»Ich bin Dietmar von Thüringen, meine Dame. Verzeiht, dass ich mich ungebeten nähere, vielleicht hätte ich einen Herold schicken sollen, aber keiner von denen erschien mir noch sehr ... hm, vorzeigbar ...«
Lucia lachte. Tatsächlich waren die Herolde derart schlamm- und dreckbespritzt, dass sie die Pause sicher zum Wechseln ihrer Kleider nutzten.
»Sprecht nur frei heraus, Herr Ritter«, ermutigte sie den Jüngling. »Solange Ihr so artige Rede führt, seid Ihr willkommen.«
»Das ehrt mich, Herrin. Und wenn Ihr es gestattet, will ich gern noch artigere Reden führen. Denn seht, es ist ein Regentag, doch als ich Euch vorhin auf der Tribüne gewahrte, schien für mich die Sonne aufzugehen. Und dann verriet meine Schwester mir auch noch Euren Namen. Lucia - das Licht! Ich verstehe dies als eine Weisung des Himmels und wage zu hoffen, dass Ihr mir meine Kühnheit vergebt. Würdet Ihr mir gestatten, Lucia von Oettingen, unter Eurem Zeichen in die nächsten Kämpfe zu reiten?«
Lucia errötete. »Ich ... mein Name ist Lucia von Bruckberg. Und ein Zeichen ... ich weiß nicht, dies hier ist kein Minnehof ...«
Der junge Ritter strahlte. »Ihr könntet also sogar daran denken, mich als Minneherrn anzunehmen? Das ist mehr, als ich je hoffen konnte! Aber vorerst würde mir ein kleines Zeichen von Eurer Hand genügen, ein winziger Beweis Eurer Gunst ...«
»Er möchte ein Band von deinem Kleid oder ein Tuch, das du im Ärmel getragen hast«, meinte Elisabeth von Bayern lächelnd und trat neben die verwirrte junge Frau. »Das ist nichts Unziemliches, verrät allerdings eine gewisse Gewogenheit. Also willst du es ihm gewähren, Lucia?« Elisabeths Herz hatte der junge Ritter eindeutig bereits gewonnen.
Lucia nestelte einen Schal von ihrem Hals. Hoffentlich würde sie sich jetzt nicht erkälten. Aber Dietmars Strahlen schien sie wärmen zu wollen.
»Ich danke Euch, Herrin! Ich werde dreimal so tapfer kämpfen, nun, da ich Eure Gunst auf meiner Seite weiß! Ihr sollt stolz auf mich sein, meine Herrin Lucia!«
Lucia war beinahe peinlich berührt, als der junge Ritter endlich abzog. Aber sie fühlte sich doch glücklich. Dietmar war so eifrig, so bemüht und lebhaft gewesen. Ganz anders als der ernsthafte Clemens. Aber der war tot. Und Lucia hatte eben das Gefühl, als habe sie das Leben berührt.
Am Nachmittag gingen die
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