Die Pestärztin
meiner Kemenate mit einem Schröpfmesserchen erwarte?«
Lucia lächelte. »Zumindest würde es deiner Gesundheit guttun, wenn man sein Mütchen kühlte ...«
In den letzten Wochen fühlte die Herzogin sich häufig krank, nachdem ihr Gatte sie besucht hatte. Sofern es möglich war, ohne Margarethe aufmerksam zu machen, ließ sie dann Lucia rufen, die ihre ärgsten Blutergüsse mit Arnika und Kampfer versorgte und die Wunden auswusch und salbte.
Herzog Stephan wurde mit der Zeit immer jähzorniger und gewalttätiger, und Elisabeth wusste nicht, wie sie ihn zufrieden stellen konnte. Zeigte sie sich spröde, so schalt er sie der Lieblosigkeit. Versuchte sie die Künste der Orientalinnen, nannte er sie »Hure«.
»Er ist ständig angespannt und sucht dann einen Sündenbock«, seufzte die Herzogin. »Ich wünschte, sie würden diese Landesteilung endlich vornehmen. Jetzt hat ja wenigstens Ludwig, der älteste Bruder, auf seine Ansprüche auf die holländischen Besitztümer verzichtet. Auf die Dauer wird Stephan das auch tun, Margarethe macht ihm sonst das Leben zur Hölle. Dabei sind ihre Söhne ganz umgänglich, aber sie stehen hoffnungslos unter ihrer Fuchtel, und die Dame hat den Ehrgeiz eines Eroberers!«
»Wird sie dann nicht irgendwann wieder heiraten?«, fragte Lucia. Frauen wie Margarethe eroberten ihre Länder durch geschickte Eheschließung.
»Das gebe Gott!«, seufzte Elisabeth. »Aber vorerst ist kein Bewerber in Sicht. Vielleicht tut sich ja etwas bei diesem Turnier. Solche Veranstaltungen sind immer auch Heiratsmärkte, obwohl die Öffentlichkeit nichts davon merkt.«
Lucia sollte das bald schmerzlich genug erfahren, aber vorerst war von weiteren Eheschließungen im Rahmen des Festes nicht die Rede. Lediglich Gunhilds Vermählung war geplant, und das Mädchen folglich von allen anderen Arbeiten bei der Turniervorbereitung freigestellt. Sie sollte sich ganz auf die Fertigstellung ihrer Aussteuer und die Vorbereitung ihrer Reise in den Norden konzentrieren. Lucia dagegen war rund um die Uhr beschäftigt. Die Herzoginmutter konnte ihre sonst so verachteten bürgerlichen Tugenden wie Sparsamkeit und Ordnungsliebe zurzeit gut brauchen. Sie ließ die junge Frau die Verköstigung der Bettler organisieren, den Bedarf an Bier, Getreide und Fleisch für die öffentlichen Garküchen kalkulieren und die Kosten für Schausteller und Herolde hochrechnen.
Aber auch Elisabeth hatte Verwendung für ihre Fähigkeiten. Ihr oblag die Ausstattung der Ritter und Edelfrauen mit den schönsten und vornehmsten Kleidern, und Lucia half ihr beim Nähen und Ausbessern der Roben. Elisabeth wies sie dabei in die Pflichten der Damen beim Turnier ein, wobei der Kuss für den verdienten Ritter eine Frage des Hofzeremoniells und damit eine hochkomplizierte Angelegenheit war.
»Du wirst wahrscheinlich nur deinen Onkel küssen müssen«, erklärte sie Lucia. »Und andere Verwandte, falls welche kommen. Aber der Herrin des Hofes obliegt auch die Begrüßung verdienter Ritter, und die Sieger des Treffens werden traditionell durch den Kuss einer Jungfrau oder ihrer Minneherrin geehrt. Insofern habe ich mich nicht kompromittiert, als ich Adrian im letzten Jahr mit einem Kuss belohnte. Diesmal werde ich allerdings jeweils eine der Jungfrauen dazu bestimmen. So ein Auftritt darf sich nicht wiederholen! Und mein Gatte läuft ja schon rot an, wenn er mich nur mit einem Ritter sprechen sieht.«
Margarethes kleine Hofdamen wussten natürlich längst von der Aufgabe, die ihnen da obliegen würde, und konnten sich vor Aufregung kaum halten. Jede träumte davon, dass ihr Liebling unter der Ritterschaft das Treffen für sich entscheiden würde, aber realistisch gesehen hatte höchstens Gerlinds kleiner Knappe echte Siegchancen. Er würde anlässlich des Festes gemeinsam mit ein paar anderen Jünglingen seine Schwertleite feiern, und diese jüngsten Ritter machten einen Wettkampf unter sich aus. Wenn Ehrenfried Glück hatte und gut mit dem Streitross klarkam, das man ihm zur Schwertleite schenken würde, konnte er siegen. Gerlind wäre dabei am liebsten selbst geritten. Sie war die Schneidigste unter den Mädchen, und ihr Zelter war ihr eigentlich zu langweilig. Als Gunhild noch scherzen konnte, hatte sie die Kleine stets »unsere Walküre« genannt.
Am Abend vor dem Turnier trafen die meisten Ritter bereits ein, und die Herzöge gaben ein Festmahl zu ihren Ehren. Die Frauen waren nicht auf Dauer zugelassen, sollten die Neuankömmlinge
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